Proteste an der Uni Wer hat gewonnen?
Ringen um Deutungshoheit: Wer hat bei der Veranstaltung der AfD-nahen Hochschulgruppe Campus Alternative an der Magdeburger Uni gewonnen?
Magdeburg l Nahezu jeder Platz ist besetzt. Heute bleiben die Studenten länger. Bis eben lauschten sie noch dem Vortrag „Chancengleichheit im Bildungssektor“ – einer Gegenveranstaltung zu einer von der Campus Alternative angekündigten Debatte zum Thema Geschlechterforschung. Doch nun wartet alles auf die AfD. Die Logik ist klar: Wenn alle im Hörsaal sitzen bleiben, ist hier kein Platz für die Rechtspopulisten.
Was die Leute zu dieser Zeit nicht sehen: Bereits als die AfD-Anhänger um Landeschef André Poggenburg gegen 18.50 Uhr eintreffen, kommt es zu Rangeleien. Junge Männer, die wohl der linksextremen Antifa zuzuordnen sind, versperren den Eingang und provozieren mit Gesten und Sprüchen.
Sprüche ernten die rund 20 Rechtspopulisten auch, als sie sich in den Hörsaal vorkämpfen. „Haut ab! Haut ab!“, schallt es ihnen von 400 Studenten entgegen. „Es gibt kein Recht, auf Nazipropaganda!“ André Poggenburg lächelt. Die aufgeheizte Stimmung scheint ihn nicht im geringsten zu stören. Dass an der Uni Protest warten würde, war von vornherein einkalkuliert. Wenn man hier nicht reden könne, sei dies auch eine klare Botschaft, denkt er. Doch ein wenig ratlos steht Poggenburg mit seinen Leuten schon am Rand. Wie geht es nun weiter?
Der Redner des Abends, der Biologieprofessor Gerald Wolf, baut seinen Laptop auf. Er öffnet die Präsentation zum Vortrag. Seine umstrittenen Thesen über das Verhältnis von Männer und Frauen sind im Saal zu sehen. Buhrufe und Trillerpfeifen werden noch lauter.
Als Poggenburg ans Rednerpult tritt, eskaliert die Situation. Linke Aktivisten laufen mit einem Banner auf den AfD-Chef zu und versuchen, ihm die Sicht zu versperren. Einer hält ihm den Mittelfinger direkt vors Gesicht. Unterstützer Poggenburgs gehen auf die Gruppe zu und versuchen, ihnen das Plakat zu entreißen. Es fliegen Fäuste. Ein Großteil der Studenten jubelt.
BUMM! Und dann ist es für einen winzigen Moment plötzlich ganz still.
Hat da gerade jemand einen Böller geworfen? Tatsächlich. Schockstarre. Ein schwarzer Fleck auf dem Boden dokumentiert: Der Knallkörper ist einen Meter neben dem AfD-Chef explodiert. Das Gerangel vor dem Rednerpult setzt wieder ein. Die Trillerpfeifen sind ohrenbetäubend laut. Ein linker Aktivist entreißt Poggenburg das Manuskript. Der AfD-Chef flüchtet mit seinen Leuten in ein Hinterzimmer. Einige junger Männer laufen hinterher und treten mehrfach nach. Ein AfD-Anhänger blutet am Kopf.
Minuten verstreichen. Wieder erschallen Sprechchöre. „Haut ab! Haut ab!“ Erst als die Polizei eintrifft, kehrt langsam Ordnung ein. Die Einsatzkräfte geleiten die AfD-Leute aus dem Saal. Die Studenten jubeln ausgelassen. Auch Professor Michael Dick, der Dekan der Fakultät für Humanwissenschaft, klatscht. „Vernünftige Veranstalter hätten sich zurückgezogen und es dabei belassen“, wird er später sagen. Von einer „linken Vereinnahmung der Uni“, spricht Poggenburg danach.
Die Bilanz eines chaotischen Abends: Fünf Anzeigen – und ein tagelanges Ringen im Internet in den sozialen Netzwerken um die Deutungshoheit. Wer hat an diesem Abend gewonnen?