Streit Leiharbeiter als „Karussell-Kunden“
Arbeitgeber und Gewerkschaften kritisieren den Gesetzentwurf zur Zeitarbeit. Am Mittwoch versucht Kanzleramtschef Altmaier zu schlichten.
Magdeburg l Der Gesetzentwurf von Andrea Nahles zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen hat etwas Ungewöhnliches vollbracht: Das 33 Seiten umfassende Papier wird sowohl von den Arbeitgeber-Verbänden als auch von den Gewerkschaften abgelehnt. Einzig die Begründungen unterscheiden sich. Den einen ist es ein bisschen zu wenig, den anderen viel zu viel.
Am heutigen Mittwoch versucht der Chef des Kanzleramtes, Peter Altmaier (CDU), zu vermitteln. Im Arbeitsministerium trifft er mit Nahles und Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften zusammen. Das Gespräch gehöre zum normalen Verlauf der Gesetzgebung, beschwichtigt ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums in Berlin gegenüber der Volksstimme. Der Gesetzentwurf befinde sich in der regierungsinternen Abstimmung. „Grundsätzlich streben wir eine zeitnahe Kabinettsbefassung an“, so der Sprecher weiter.
Doch Andrea Nahles wird ihren Entwurf verändern müssen, da der Gegenwind von beiden Seiten – Arbeitgebern und Gewerkschaften – kaum abnehmen dürfte. Nach den Plänen der Sozialdemokratin sollen Unternehmen ihre Leiharbeiter künftig nur noch 18 Monate lang beschäftigen dürfen. Nur für öffentlich-rechtliche Einrichtungen sowie Religionsgemeinschaften soll es Ausnahmen geben. Ebenso sollen Tarifpartner auch eine längere Verleihdauer vereinbaren können. So könnten längere Verleihzeiten als 18 Monate möglich sein.
Auch beim Gehalt der Leiharbeiter will die Ministerin ansetzen. Spätestens nach neun Monaten soll für die Zeitarbeiter „Equal Pay“ gelten. Sie sollen dann also theoretisch nicht mehr weniger verdienen als die Stammbelegschaft.
„Die Leiharbeit muss raus aus der Grauzone, aus der Schmuddelecke“, erklärte Nahles erst vor wenigen Wochen im Bundestag. Ausdrücklich untersagt werden soll deshalb auch, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen.
Der Gewerkschaft IG Metall gehen die Vorschläge der Ministerin nicht weit genug. „Die Festlegung von Höchstüberlassungsdauern regelt allenfalls den Wanderzirkus, den Leiharbeiter von Entleiher zu Entleiher erleiden müssen“, sagt Detlev Kiel, IG-Metall-Chef in Magdeburg. So werde weder der Wunsch der Leiharbeiter nach einer Festanstellung geregelt noch der Missbrauch der Zeitarbeit, wenn Arbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitern besetzt würden.
Die Arbeitgeber sehen hingegen die Tarifautonomie eingeschränkt – also das Prinzip, wonach Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst die Arbeitsbedingungen in ihren jeweiligen Branchen regeln. „Tarifautonomie geht staatlicher Regulierung vor“, sagt Matthias Menger, Hauptgeschäftsführer vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt. Eine gesetzlich vorgeschriebene finanzielle Gleichstellung nach neun Monaten lehne er ab.
Für den Vizepräsidenten des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), Thomas Bäumer, ist der Gesetzentwurf fernab jeder Praxis. Er sagt: „Durch die geplanten Reglementierungen würden unsere Kunden zu Karussell-Kunden.“ Die Folge wäre eine Höchstüberlassungsdauer von neun Monaten, weil die Kunden die Zeitarbeiter dann abmelden und kurz darauf wieder neue Mitarbeiter anmelden würden, so Bäumer. „Für die deutsche Wirtschaft würde es durch die Änderungen immer schwieriger, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.“