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1. FC Magdeburg Härtel: "Musste in einigen Dingen umdenken"

Jens Härtel ist der Trainer des 1. FC Magdeburg, der den Verein in den Profifußball geführt hat. Groß war (und ist) die Euphorie.

12.10.2015, 11:01

Herr Härtel, knapp ein Drittel der Saison ist vorbei. Der FCM steht mit 17 Punkten auf Rang sieben. Zufrieden?

Jens Härtel: So, wie es bisher gelaufen ist, mit den Heimspielen, der Atmosphäre und der Außendarstellung, ja. Wobei wir wissen, dass wir immer ans Limit gehen müssen. Weh getan haben die Partien gegen Aalen (1:2) und Cottbus (2:2). Zumindest eins davon hätte ich gerne noch gewonnen.

Bis zur Winterpause sind es noch neun Spiele. Welche Punktemarke möchten Sie erreichen?

Von solchen Rechenspielchen halte ich gar nichts. Unser Ziel ist es, den Abstand nach unten konstant zu halten, nicht hinten reinzurutschen.

Mit wieviel Zählern hält man die Klasse?

Bei 45, 46 bleibt man sicher drin. Im Vorjahr haben schon 40 gereicht.

Zu Hause hat der FCM schon viermal gewonnen, auswärts noch gar nicht. Worin sehen Sie die Gründe?

Mitunter lag es an der fehlenden Kraft, Ruhe und falschen Entscheidungen. Andererseits haben wir in sechs Spielen nur zweimal verloren und vier extrem wichtige Unentschieden geholt, bei denen wir bis zum Ende immer dicht dran waren.

Lag es auch an der fehlenden Lobby bei Schiedsrichtern, bei denen sich ein Aufsteiger ein gewisses Standing vielleicht erst verschaffen muss?

Es scheint so zu sein. Ich denke nur an die Spiele in Stuttgart, wo uns ein klares Tor aberkannt wurde, in Köln, wo der zweite Elfmeter keiner war, und gegen Aalen, als wir vor dem Gegentor einen unberechtigten Freistoß hinnehmen mussten.

In der Tabelle ist Dynamo Dresden schon weit enteilt. Hatten Sie das erwartet?

In dieser Form nicht, weil es untypisch ist für die ausgeglichene Liga. Aber mit dem sensationellen Umfeld, dem Trainer und dem Lauf, den sie momentan haben, wird es ganz schwer, sie noch zu stoppen.

Was ist der größte Unterschied zwischen Dynamo und dem FCM?

Die Planungssicherheit. Es war viel einfacher, Vertragsgespräche in Dresden zu führen und so z. B. einen ,Lumpi‘ Lambertz zu verpflichten. Bei uns stand bis zuletzt alles auf der Kippe.

Der Vorsitzendes des Aufsichtsrates, Lutz Petermann, hat kürzlich von einem Drei-Jahres-Plan gesprochen. Zunächst stabilisieren, dann etablieren und im dritten Jahr oben angreifen. Wie denken Sie darüber?

Es gehört zu seinen Aufgaben, mittel- oder langfristig zu planen, Infrastrukturen zu verändern oder neue Geldquellen zu erschließen. Für einen Trainer ist es dagegen nicht machbar, drei Schritte vorauszublicken.

Wie beurteilen Sie die Absicht des Vereins, die Profiabteilung auszugliedern?

Den Schritt halte ich für alternativlos und hoffe, dass das die Mitglieder es ebenfalls so sehen. Die Entwicklung im Verein muss fortgesetzt werden.

Wo fehlt es denn Ihrer Meinung nach noch?

Die Basis ist sicher gelegt. Ohne die wäre aber Profifußball auch gar nicht möglich. Der FCM hat einen Co-Trainer, mit dem ich mich ständig austausche, einen Torwart- und einen Athletiktrainer, die zudem für die U 17 und U 19 zuständig sind. Hinzu kommt ein Videoanalyst. Was wir als nächstes aufbauen müssen, ist eine Scouting-Abteilung. Hier geht es darum, eine Datenbank zu erstellen und sich am Wochenende gezielt Spiele anzuschauen, und nicht auf blauen Dunst irgendwo hinzufahren. Das müssen Leute sein, die genau wissen, wie der Verein und der Trainer tickt.

Wie tickt denn der Trainer des FCM? Gibt es spezielle Karrierepläne?

Nein, für mich war und ist es in erster Linie immer wichtig, dass die Arbeit Spaß macht.

Und – macht sie beim FCM Spaß?

Ja, absolut. Dabei ist es auch nicht entscheidend, wieviel Geld man verdient, sondern dass nicht ringsherum Bombenleger lauern. Allerdings musste ich zu Beginn auch in einigen Dingen umdenken.

Wo zum Beispiel?

Es geht immer um die Art und Weise, wie man eine Mannschaft führt. Da bin ich im ersten Jahr einen Schritt zurückgegangen, habe gewisse Dinge einfacher gehandhabt. Bei RB Leipzig wird z. B. extrem viel Wert auf Videoanalyse gelegt. Das kannte man beim FCM so nicht. Da gilt es dann, die Balance zu finden und den Bogen nicht zu überspannen.

Umdenken mussten Sie sicher auch in Bezug auf die mediale Präsenz, oder?

Natürlich. Und jetzt in der 3. Liga ist es noch extremer geworden, wo plötzlich „Kicker“, „Zeit“ oder „Frankfurter Allgemeine“ hinzugekommen sind. Die Medien sind ein wichtiger Baustein. Sie können eine Person groß oder aber auch in Grund und Boden schreiben. Deswegen halte ich immer eine gewisse Distanz.

Fühlen Sie sich von den hiesigen Medien fair behandelt?

Absolut. Allerdings nehme ich mich als Trainer nicht allzu wichtig. Maßgebend ist, was die Mannschaft auf dem Platz zeigt.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit Sportchef Mario Kallnik?

Als sehr vertrauensvoll. Deswegen habe ich es auch begrüßt, dass er ab 1. Januar 2016 hauptamtlich tätig ist. Wer ständig vor Ort ist, bekommt doch noch ein feineres Gespür, kann, wenn nötig, zusammenführen oder gegensteuern. So werden wieder ein paar Prozentpunkte mehr frei. Wir sind nicht immer einer Meinung, wissen aber, dass der Verein über allem steht. Er ist das Aushängeschild. Und noch etwas: Es war für mich immer bemerkenswert, wie er seine Doppelrolle beim FCM und bei der AOK gemeistert hat. Ich hätte das nicht gekonnt.

Zurück zur aktuellen Mannschaft: War es im Nachhinein richtig, auf Spieler zu setzen, die keine Drittliga-Erfahrung besaßen?

Ich denke schon, weil es motivierender ist, von unten zu kommen, wo alles neu, größer und besser ist, als von oben, wo man möglicherweise einen Schritt zurückmacht. Und die jetzige Mannschaft passt auch von der Mentalität zusammen, spielt leidenschaftlichen Fußball und hat keine Meckerer.

Eine Mannschaft, die aber auch noch viel lernen muss, oder?

Zweifellos.

In welchen Bereichen konkret?

In allen. Im physischen, im fußballerischen und im taktischen Bereich. Eine große Baustelle ist beispielsweise unser Kopfballspiel. Da waren wir in der Regionalliga noch das Maß aller Dinge. Das kann man jetzt nicht mehr behaupten. Dabei werden viele Spiele über Standards entschieden.

Und was ist mit dem Umschalten nach Ballverlusten?

Das richtige Defensivverhalten fällt einigen nach wie vor schwer. Und das gilt nicht nur für die neuen Spieler, ist aber ein Entwicklungsprozess, für den man Zeit benötigt.

Wie sieht es mit weiteren Verstärkungen in der Winterpause aus. Wer passt ins Beuteschema?

Es gibt dieses Bestreben. Ein Verein steht ständig in der Pflicht, daran zu arbeiten, dass es besser geht. Wir werden aber nichts überstürzen.

Könnte der Mannschaft nicht auch ein typischer „10er“, einer, der im Mittelfeld die Fäden zieht, helfen?

Den haben wir im Moment in der Tat nicht, aber die Frage lautet doch immer: Fehlt mir ein solcher Spieler in meiner Mannschaft wirklich? Wenn ich beispielsweise einen Mesut Özil ins Team einbaue, muss ich möglicherweise die Statik und die Grundordnung ändern und seinetwegen noch weitere fünf, sechs neue Spieler holen. Am Ende muss immer die Gesamtbalance stimmen.