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Fußball Ein Torjäger allein unter Frauen

Das ist nicht etwa der Titel einer neuen Fernsehkomödie, sondern beschreibt wohl am besten das Trainerleben von Fernando Göring.

Von Florian Schulz 18.01.2016, 03:00

Schwiesau l In den letzten Jahren hat der SV Schwalbe Schwiesau in fußballerischer Hinsicht für wenig Schlagzeilen gesorgt. Die Schwalben-Herren spielen in der Kreis-oberliga zwar für gewöhnlich eine solide Rolle, können sich immer wieder rechtzeitig aus dem Abstiegskampf befreien, doch für ganz große Sprünge hat es zuletzt eben auch nicht gereicht beim kleinen Verein in der Westaltmark. Vielleicht ändert sich das auf Dauer, wenn nämlich die neugegründete Schwiesauer Frauenmannschaft sich weiterentwickelt hat und ab der kommenden Saison in den Spielbetrieb einsteigt. „Wir wollen den Damenfußball in Schwiesau etablieren“, verrät Trainer Fernando Göring.

Göring kann anscheinend nicht nur selbst Tore en masse erzielen, sondern ist auch ein von seinen Spielerinnen geschätzter Coach. Ohne seine Idee wäre es vermutlich nicht zur Entwicklung einer Frauenmannschaft beim SV Schwalbe gekommen. Der gebürtige Schwiesauer war gerade mal fünf Jahre jung, da schloss er sich den F-Junioren seines Heimatvereins, wo Hermann Bentler als Trainer das Sagen hatte, an. „Ich spiele eigentlich Fußball, seit ich laufen kann“, erzählt der heute 35-Jährige mit einem Schmunzeln. Der war schon immer im Angriff zu Hause und merkte sich schnell, wo das gegnerische Tor steht. Bis zur C-Jugend erzielte Fernando Göring in Schwiesau Tore am Fließband, dann musste er eher unfreiwillig das Weite suchen. Zusammen mit einigen Teamkollegen wechselte Göring zum benachbarten VfB Klötze 07, bei dem er in der B- und A-Jugend aktiv war. „Da war ich in einer ganz starken Truppe aber nur ein Mitläufer, kam nicht so richtig zum Zuge“, erinnert sich der Goalgetter zurück. „Ich wollte allerdings auch etwas mehr gefordert sein“, begründet Fernando Göring seinen damaligen Wechsel an die Purnitz, der sicherlich trotzdem kein Fehler war.

Im Herrenbereich ging es für Göring allerdings wieder zurück zu den Schwiesauer Schwalben. Da hütete er unter der Leitung von Trainer Ralf Ronneburg in seiner ersten Saison das Tor. „Ich wollte meine Chance nutzen, so ins Team zu kommen“, denkt der 35-Jährige grinsend zurück. „Doch schnell wurde mir klar, dass ich nach vorn gehöre“, fügt der Vollblutstürmer an. Genau auf dieser Position feierte er in Schwiesau besonders unter der Regie von Coach Frank Riedel ganz besondere Erfolge. So wurde Fernando Göring unter anderem 2005 und 2006 Torschützenkönig in der Kreisliga und stieg 2007 mit den Schwalben – beim entscheidenden 1:0-Erfolg in Jävenitz bereitete er den goldenen Treffer von Michael Kutschki vor – in die Landesklasse auf. „Das war schon cool, da mal reinzuschnuppern. In der ersten Saison haben wir uns dank einer starken Rückrunde noch gerettet, danach sind wir leider abgestiegen“, so der Fußballbegeisterte. Auf Landesebene gelangen dem Angreifer plötzlich auch „nur“ noch elf Treffer. „Die Dinger wollten einfach nicht mehr rein“, erinnert sich Göring zurück. Dennoch spricht der Westaltmärker im Nachhinein von einer „starken Truppe“, über die die Schwalben damals verfügten.

Den Abstieg in die Kreisliga erlebte Fernando Göring allerdings gar nicht mehr mit, wechselte er doch bereits in der Winterpause dieser Saison zum VfB Klötze 07. Dorthin gelotst hatte ihn sein Ex-Trainer Ralf Ronneburg. „Es gab damals Unstimmigkeiten in Schwiesau. Zudem wollte ich auch mal etwas anderes ausprobieren“, erklärt der 35-Jährige. Doch schon bald zog es Göring aus Verbundenheit zurück zu seiner alten Liebe SV Schwalbe. „Fast alle Spieler aus der Landesklasse waren damals weg. Ich wollte natürlich beim Wiederaufbau mithelfen“, schildert der Angreifer. Zusammen mit seinen alten Weggefährten Tino Banse und Senol Isik sowie Trainer Torsten Kempe wechselte der Routinier aber nur rund ein Jahr später zum MTV Beetzendorf. „Auch dort hatte ich einen guten Start, doch nach privaten Veränderungen musste ich den Verein auch schnell wieder verlassen“, verrät Fernando Göring. 2009 zog der Westaltmärker nach Wolfsburg und ließ seine Karriere vorläufig ruhen. „Ich habe mir eine schöpferische Pause gegönnt“, blickt Göring zurück. Erst 2012 traf man den Sachsen-Anhalter wieder auf dem Sportplatz an. Er schloss sich dem VfL Lehre aus der Kreisliga Helmstedt an. „Dahin gekommen war ich durch einen Kumpel. In Lehre wurde mit einer Viererkette gespielt, das war schon ein moderner Fußball“, staunt der Schwiesauer noch heute. Fernando Göring spielte für die Männer, aber auch für die Altherren des niedersächsischen Vereins. Durch seine damalige Freundin Laura kam Göring zum ersten Mal zum Frauenfußball. „Sie hat bei Lehre/Hordorf gespielt, wo ich ab 2013 als Co-Trainer gearbeitet und den Coach unterstützt habe“, verrät der Westaltmärker. Doch auch dieses Kapitel war früher als erwartet beendet.

2014 zog es den Offensivakteur zurück nach Schwiesau zu den Schwalben. „Mein Ziel war es, meinen Stammklub in der Liga zu halten“, verrät Fernando Göring. Dieses Unternehmen gelang auch, nach wie vor spielt die Mannschaft von Trainer Senol Isik in der Kreisoberliga. Daran hatte Göring mit 21 Treffern in der Vorsaison auch maßgeblichen Anteil. Auch in dieser Spielzeit müssen die Schwalben jedoch wieder hart um den Ligaverbleib kämpfen. „Es wäre sicherlich mehr möglich, wenn alle da wären. Das ist aber leider meist nicht der Fall“, erklärt der 35-Jährige. Der muss als Routinier natürlich auch Verantwortung übernehmen. „Mit dem Druck komme ich im Alter schon besser klar und sehe die Dinge gelassener“, sagt der Westaltmärker. Der lobt die Kameradschaft und den Zusammenhalt in der Truppe. „Das ist schon top. Für mich steht auch fest, egal was kommen mag, dass ich meine Karriere hier beende“, verrät Göring, der sich im September des letzten Jahres an der Wirbelsäule verletzte und lange außer Gefecht war. In der Rückrunde möchte die Offensivwaffe der Schwalben aber wieder angreifen. Es wird übrigens sein letztes halbes Jahr als Aktiver sein. „Ich mache dann komplett Schluss. Die Verletzung hat mir gezeigt, dass man doch nicht mehr alles vertragen kann“, gibt Fernando Göring zu verstehen.

Der Fußballenthusiast widmet sich ab der kommenden Spielzeit einzig und allein der neuformierten Frauenvertretung der Schwalben. „Im August des letzten Jahres kam mir die Idee“, erklärt der 35-Jährige. Ganz aus dem Fußballgeschäft verabschieden möchte sich der Torjäger nicht. So bietet sich doch ein Job als Trainer an. Genau diesen übernimmt Göring ab sofort bei den Schwiesauer Damen. „Eine Herrenmannschaft traue ich mich noch nicht zu trainieren. So habe ich zunächst mit meiner Freundin Sabine über eine Gründung eines Frauenteams gesprochen. Sie hält mir privat den Rücken frei, so dass ich die Zeit dafür finde“, verrät der Vater dreier Kinder. Der erkundigte sich in der Umgebung nach potenziellen Spielerinnen für die Truppe. „Ich habe rumgefragt oder auch einige Frauen privat angeschrieben. Wir hatten schon zuvor fünf Mädels sicher dabei, daraus sind dann relativ fix 16 bis 18 geworden“, schildert Fernando Göring. Die Truppe bereitet sich mittlerweile intensiv auf die kommende Saison vor, wo sie in den Spielbetrieb der Regionalklasse Nord einsteigen wird. „Seit August trainieren wir regelmäßig, und die Mädels haben auch gute Fortschritte gemacht“, staunt Göring. Schließlich hat der Großteil des Teams zuvor noch nie Fußball gespielt. In einem Testspiel zum Ende des letzten Jahres merkte man auch, dass man noch viel Arbeit vor sich hat. Gegen die SG Tangermünde/Wittenmoor musste sich die Schwalben-Elf mit 0:17 geschlagen geben. So sieht Göring die erste Spielzeit auch noch als „Findungsjahr“. „Nach etwa fünf Jahren wollen wir uns in der Liga etabliert haben und möglichst im Mittelfeld mitspielen“, erklärt der 35-Jährige. Dem bereitet die Arbeit mit der Truppe viel Spaß. „Die Spielerinnen wollen lernen und geben sich viel Mühe. Es hapert momentan eher noch an der Physis“, weiß der Trainer. Der redet allerdings viel mit seinen Schützlingen („Man muss mit Herz bei der Sache sein“) und bleibt geduldig.

Fernando Göring freut sich auf die Aufgabe als Übungsleiter der Damentruppe und möchte für diese so lange wie möglich Verantwortung übernehmen. „Schön wäre es, wenn wir noch mehr Spielerinnen und Sponsoren gewinnen könnten“, erklärt Göring. Der wird vom Verein gut unterstützt. „Wenn ich etwas brauche, bekomme ich das auch. Manchmal dauert das womöglich etwas länger, aber ich kann mich nicht beschweren“, sagt der 35-Jährige. Für die Herren wünscht sich der Torjäger, dass sie in Zukunft auch ohne ihn weiter in der Kreisoberliga bleiben, die Frauen möchte er selbst als Trainer nach und nach in der Regionalklasse Nord etablieren. „Ich würde mir wünschen, dass aus der Truppe etwas wird. Ich selbst stelle mich da ganz hinten an“, erklärt der Westaltmärker. Immerhin ein Erfolgserlebnis hatten die Schwalben kürzlich schon, erzielten sie doch bei einem Hallenturnier der SG Beetzendorf/Immekath durch Janina Froböse ihren ersten Treffer unter Wettkampfbedingungen. Das lässt doch schon mal auf eine gute Zukunft hoffen für Fernando Göring und die Frauen des SV Schwalbe Schwiesau.