Fußball FCM-Stratege Kirchhoff und die Tretmühle
Jan Kirchhoff hat es bisher geschafft, den hohen Erwartungen beim 1. FC Magdeburg gerecht zu werden. Er ist ein Hauptgrund der Erfolge.
Magdeburg l Es war einer dieser Schockmomente, der den Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg Angstschweiß auf die Stirn trieb. Beim 3:1 in Bielefeld lag FCM-Mittelfeldspieler Jan Kirchhoff in der Schlussphase mit schmerzverzerrtem Gesicht im Bielefelder Strafraum. FCM-Sportchef Maik Franz war außer sich, musste zurückgehalten werden. „Ich habe von Bielefelds Torhüter Stefan Ortega einen Tritt in die Rippen bekommen“, erklärte Kirchhoff später.
Letztendlich war es zwar nicht so schlimm wie befürchtet. Diese Szene und die Reaktion darauf verdeutlicht aber, welchen Status Kirchhoff beim FCM schon nach wenigen Wochen innehat. Er ist der Königstransfer des FCM.
Auch in Bielefeld war Kirchhoff einer der auffälligsten Akteure. Er kurbelte das Spiel an, war 73 Mal am Ball, gewann 14 Zweikämpfe. In der zweiten Hälfte musste er nach einem Kopfballduell behandelt werden, aus der Nase floss Blut. „Es gab ein paar Wunden nach dem Spiel. Zum Glück ist nichts gebrochen, das ist das Wichtigste“, sagt Kirchhoff im Rückblick.
Seine Entscheidung, im Winter zum FCM zu gehen, erweist sich bisher nicht nur für das Team, sondern auch für ihn persönlich als Gewinn. „Es ist genauso, wie ich es mir erhofft habe“, betont Kirchhoff. Was der Mittelfeldspieler meint: Das Miteinander in der Mannschaft und vor allem mit Michael Oenning ist gut. Der Trainer hatte von Anfang an betont, dass Kirchhoff in seinen Überlegungen eine zentrale Rolle einnimmt.
Was für den in seiner Karriere verletzungsgeplagten Kirchhoff aber noch wichtiger ist: Oenning achtet darauf, dass er seinen Star-Spieler nicht verheizt, ihm also einen gewissen Schutz in der Tretmühle 2. Bundesliga zugesteht. „Ich habe das Gefühl, dass auf mich eingegangen wird. Das gilt auch für meine Besonderheiten, die ich durch meine früheren Verletzungen habe“, betont Kirchhoff. Und: „Der Trainer hat mir gesagt, dass er mir die Entscheidung auch mal abnimmt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“ Im Zweifelsfall wechselt ihn der Coach wie in Ingolstadt vorsichtshalber lieber aus. Gegen Kiel fehlte Kirchhoff im Kader, da ihm muskuläre Probleme etwas zu schaffen machten. „Ich will keinen unnötigen Fehler machen“, betont Oenning.
Kirchhoff dankt das Vertrauen mit Loyalität. „Wenn ich auf den Rasen gehe, dann bin ich im Flow. Ich halte mich dann nicht zurück, denke nicht daran, ob ich mich vielleicht verletzen könnte“, erklärt er.
Auffällig ist: Der 1,95-Meter-Hüne hat eine enorme Präsenz auf dem Platz. Und das liegt nicht nur an seiner Größe. Durch seine Erfahrung, Übersicht und Handlungsschnelligkeit hebt er die Qualität der gesamten Mannschaft. Gegen Bielefeld brachte er 43 Pässe zu seinen Mitspielern. Und vor dem Tor zum 2:0 war er es, der Felix Lohkemper mit einem langen Pass in Szene setzte. „Es macht mir gerade richtig Spaß, meinen Beruf auszuüben“, sagt Kirchhoff. „Die Unterstützung der Fans zu Hause oder auswärts ist überragend und einmalig. Gegen Aue hatte ich das Gefühl, dass alle Fans zusammen mit uns den Vorsprung verteidigt haben.“
Das von Oenning neu geschaffene Mittelfeld-Dreieck mit Jan Kirchhoff, Rico Preißinger und Charles Elie Laprévotte funktioniert bisher richtig gut. Kirchhoff hat für seine Mitspieler nur lobende Worte parat. Denn: „Mit Rico und Elie habe ich zwei Spieler vor mir, die unfassbare läuferische Qualitäten haben. Zudem sind sie stark am Ball. Gerade ich bin darauf angewiesen, dass die Mitspieler Pass- und Laufwege anbieten.“
Neben der spielerischen Komponente bringt der Winter-Neuzugang auch ein neues Selbstverständnis in die Mannschaft. „Wir müssen positiv sein und daran glauben, dass wir Spiele gewinnen können“, betont er. Diese Einstellung hatte der FCM in der Hinrunde nicht immer.
Trotz des Qualitätssprunges, den der FCM durch Kirchhoff gemacht hat, gibt es auch eine Kehrseite – siehe blutige Nase und Tritt in die Rippen. Auch den Gegnern ist nicht verborgen geblieben, wie wichtig Kirchhoff für das FCM-Spiel ist. Entsprechend rustikal wird er behandelt. Mit allen erlaubten und manchmal nicht erlaubten Mitteln wird versucht, ihn aus dem Spiel zu nehmen. Tretmühle 2. Liga eben.
Kirchhoff nimmt die Attacken der Gegenspieler aber sportlich. „Ich denke darüber wenig nach und bin frei im Kopf“, sagt er. Und wenn er wie in Bielefeld angegangen wird, ist da ja auch noch Maik Franz. Der hatte in seiner aktiven Zeit nicht umsonst den Spitznamen „Iron Maik“.