Medizin In Magdeburg geht neues Labor für Krebsmedikamente in Betrieb
Die Altstadt-Apotheke hat in Magdeburg ihre Herstellung von Zytostatika in Betrieb genommen. Es geht um die ambulante Behandlung von Krebspatienten .
Magdeburg
Mit der Wiederbelebung des früheren Altstädtischen Krankenhauses in der Otto-von-Guericke-Straße 111 in Magdeburg als Medizinstandort ist hier auch eine öffentliche Apotheke eingezogen. Es handelt sich um die Altstadt-Apotheke, einen Familienbetrieb von Bärbel Otto, Dr. Doreen Kessner und Teresa Walter. Zuvor hatte die Apotheke mit insgesamt zehn Mitarbeitern ihren Sitz in der Sternstraße.
Doreen Kessner sagt: „Der Umzug war für uns in dreifacher Hinsicht ein logischer Schritt.“ Zum einen befinden sich in dem Gebäudekomplex mehrere Praxen, und unter anderem eine ambulante Klinik mit drei Operationssälen kommt noch dazu. Besonders wichtig für die Apotheke: Im gleichen Gebäude befindet sich die Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie, die seit 1993 von der Altstadt Apotheke mit patientenindividuell hergestellten Chemotherapien beliefert wird. Krebstherapien sind der einzige Fall, in dem der Gesetzgeber eine solche Kooperation zwischen Apotheke und Arzt vorsieht. Die Gemeinschaftspraxis ist ebenfalls vom Hasselbachplatz ins Altstadt-Quartier gezogen. Die Weiterführung der ortsnahen Versorgung mit Chemotherapien und die Möglichkeit zur Patientenberatung zu Nebenwirkungen der Krebstherapie vor Ort war ein wichtiger Aspekt, den Standort der Apotheke zu verlagern.
Sicherheit für Patienten und für Mitarbeiter
Beim Blick in die vor den Augen der Öffentlichkeit abgeschirmten Räume zeigt sich, warum das so ist. In einem Reinraumlabor werden hier Zytostatika zur Behandlung von Krebspatienten hergestellt. Um in dieses Labor zu gelangen, muss das speziell geschulte Fachpersonal fünf Räume durchqueren. Neben Vorbereitungsräumen gibt es mehrere Schleusen. Doreen Kessner erläutert: „Bei den Zytostatika handelt es sich um teils hochgiftige Substanzen. Da steht die Sicherheit an oberster Stelle.“ Das gilt sowohl für die Sicherheit der herstellenden Mitarbeiter als natürlich auch für die Produktsicherheit. Der Reinraum gewährleistet auch die Abwesenheit von Keimen, die anderenfalls die geschwächten kranken Patienten zusätzlich gefährden würden.
Ein weiteres Zeichen, wie wichtig die Arbeit ist: Es wird nach einem Sechs-Augen-Prinzip gearbeitet. Mit dabei sind immer zwei der vier Pharmazeutisch-Technischen Assistentinnen und – getrennt durch eine Schutzscheibe – eine der Apothekerinnen mit der Zusatzqualifikation zur Onkologischen Pharmazeutin.
Nur wenige Apotheken haben diese Speziallabore
Viele Apotheken sind auf andere Schwerpunkte spezialisiert und sparen sich daher eine solch aufwendige Ausstattung. Laut Landesverwaltungsamt gibt es in Magdeburg nur zwei Krankenhaus- und drei öffentliche Apotheken, die für die Produktion von Zytostatika zugelassen sind. In ganz Sachsen-Anhalt stellen je zwölf öffentliche und Krankenhausapotheken diese Medikamente her, die individuell auf die Therapie der Patienten abgestimmt sind.
Der zweite Grund für den Wegzug aus der Sternstraße: Mit einem räumlichen Neuanfang konnte auch das Labor an die modernsten Anforderungen angepasst werden. Bärbel Otto ist Mutter von Doreen Kessner und Teresa Walter und hat die Altstadt-Apotheke im Jahr 1993 am alten Standort gegründet. Sie erinnert sich: „Die damaligen Anforderungen sind mit den heutigen kaum noch vergleichbar.“
Anforderungen an die Produktion sind gestiegen
Klar, auch damals war man sich der hohen Giftigkeit der Zytostatika bewusst. „Damals konnten wir aber mit einer Sicherheitswerkbank im normalen Apothekenlabor arbeiten.“ Von Schleusen und Reinräumen war damals längst nicht die Rede. Vor diesem Hintergrund freuen sich die Apothekerinnen auch, wie gut der Bauherr Getec PM auf die Anforderungen ans neue Zytostatiklabor eingegangen ist und wie gut auch die Zusammenarbeit mit den ausführenden Handwerksbetrieben funktioniert hat.
Dass hinter der Arbeit an den Zytostatika mehr als nur Fragen der Sicherheit stecken, beweist das Aufgabenfeld von Teresa Walter. Die Apothekerin ist dafür zuständig, dass alle Wirkstoffe stets zur Verfügung stehen. Sie sagt: „Da kommt es auf ein gut funktionierendes Netzwerk an Lieferanten an, um sofort reagieren zu können.“ Das Besondere bei der Krebsbehandlung ist nämlich, dass es oft darum geht, nach dem Befund schnell mit der Therapie zu beginnen. Teresa Walter erläutert: „Bei den Wirkstoffen handelt es sich um Produkte, die nur von wenigen Herstellern angeboten werden und die zum Teil auch kostenintensiv sind, so dass wir hier auch keinen Vorrat anlegen können.“
Tradition des Standorts in der Innenstadt
Und der dritte Grund für den Umzug? Der dritte liegt in der Historie des Ensembles und dem Namen begründet: Die Altstadt-Apotheke scheint geradezu dazuzugehören zum ehemaligen Altstädtischen Krankenhaus in einem Viertel, das heute Altstadt-Quartier heißt.
Die Tradition des Standorts ist unter anderem auf einem großen Bildschirm zu erkennen, auf dem im Eingangsbereich Bilder und Dokumente aus der Geschichte des Medizinstandorts gezeigt werden. Immer wieder kommen frühere Mitarbeiter des Krankenhauses in die Apotheke, um zu sehen, was aus ihrer früheren Wirkungsstätte geworden ist. Im Falle der Apotheke handelt es sich um die frühere Notaufnahme.
Zytostatika sind hochwirksame Medikamente. Sie behindern den Stoffwechsel von Zellen, die sich teilen. Daher kommen sie bei der Behandlung von Krebserkrankungen zum Einsatz, da die Tumorzellen sich öfter teilen als gesunde Zellen. Den Medizinern spielt dabei mit in die Hände, dass die Krebszellen anders als das gesunde Körpergewebe über schlechtere Reparaturmechanismen verfügen.
Wichtige Waffe im Kampf gegen Krebs
Auch wenn die Wirkstoffe nur in winzigen Mengen verabreicht werden, haben sie schwere Nebenwirkungen. Denn auch gesunde Zellen teilen sich, und auch ihr Stoffwechsel wird durch die Zytostatika behindert. Das bekommen Patienten, die mit diesen Medikamenten behandelt werden, drastisch zu spüren. Betroffen sind während der Behandlung vor allem jene Zellen des Körpers, die sich schnell teilen. Zu diesen gehören die Haarwurzelzellen, weshalb bei vielen Chemotherapien Haarausfall eine Begleiterscheinung ist. Besonders betroffen sind unter anderem auch Zellen der Mundschleimhaut und im Magen-Darm-Trakt. Die Schädigung der gesunden Zellen nimmt man bei der Behandlung von Krebs mit Zytostatika in Kauf, da diese oft der einzige Weg ist, die kranken Zellen zu zerstören.
Zum Einsatz kommen in Zytostatika zahlreiche natürlich vorkommende wie synthetische Wirkstoffe. Dass es Stoffe gibt, die die Zellteilung behindern, war zunächst im Ersten Weltkrieg aufgefallen – bei der Erforschung von Giftgas. Für den Einsatz als Medikament wurden erste Vertreter dieser Gruppe von Wirkstoffen ab den 1940er Jahren nutzbar gemacht. Seitdem sind sie aus der Krebstherapie nicht mehr wegzudenken und werden immer weiterentwickelt.