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Leserin Edeltraud Suppe aus Jena erinnert sich an ihre Ausbildung zur Druckerin in der Harz-Druckerei Wernigerode "Das war die schönste Zeit meines Lebens!"

19.08.2010, 05:58

Zum 120. Geburtstag erreichte die Redaktion ein Brief von Edeltraut Suppe aus Jena. Von 1977 bis 1979 erlernte sie in Wernigerode den Beruf der Druckerin in der Harzdruckerei Wernigerode. An diese Zeit denkt Edeltraud Suppe noch heute gern zurück. Hier ihre Erinnerungen:

"Ich bin eine Jüngerin Gutenbergs. Mein Gautschbrief ist eingerahmt und hängt an der Wand. Den Beruf Drucktechnikerin mit Spezialisierung Buchdruck habe ich von 1977 bis 1979 gelernt. Das hieß damals so. Da ich in der Harz-Druckerei Wernigerode gelernt habe, musste ich auch immer in verschiedenen Zeitabständen nach Magdeburg. Auch die Zeit im Internat in der Nachtweide im Werk II habe ich nie vergessen.

Es war die schönste Zeit meines Lebens. Auch aus dem Grund, weil ich mit 11 oder 12 Jungs den Beruf gemeinsam erlernt habe. Heute rede ich scherzhafterweise von "meinen Jungs". Denn als einziges Mädchen hatte ich am Anfang meiner Lehre einen schweren Stand bei meinen Jungs. Aber das änderte sich gleich. Jungs, Ihr wisst, was ich meine?

Wir hatten aber eine wunderschöne Zeit gehabt. Manchmal denke ich noch daran, wie wir bis auf eine Person in der Berufsschule geschlossen eine oder zwei Stunden mal geschwänzt haben. Durch die Zeit mit euch habe ich gelernt, mich durchzusetzen. Danke!

Die Gautschzeremonie war ein Erlebnis für die Ewigkeit. Ich sehe heute noch mit Stolz meinen Gautschbrief jeden Tag. Denn es gibt ja nicht viele Berufe mit solchen Ritualen. Meine Kollegin und ich hatten ein sehr nasses Erlebnis an diesem Tag. Wir wurden festgehalten, um nicht abzuhauen. Dann wurden wir auf den nassen Schwamm gedrückt. War das eklig. Der nasse Schwamm am Gesäß war so gemein.

Oft denke ich an die schöne Zeit. Es gab viele Traditionen in der Harz-Druckerei. Ein Beispiel des kollegialen Zusammenhalts: Wir haben nach Feierabend und am Wochenende in der Wernigeröder Pfarrstraße ein Gebäude gemeinsam renoviert. Dort wurde die neue Offset–Abteilung eingerichtet. Noch ein Beispiel: Bei Geburtstagen legten alle Kollegen einer Abteilung zusammen. Ich wünschte mir damals einen "RG 28" ("Rühr-Gerät 28" – ein Handmixer). Das Jahr darauf wünschte ich mir Zusatzteile zum "RG 28". Heute, noch nach 30 Jahren, existiert alles noch. Das war eben Qualität.

Von meiner ersten Jahresendprämie kaufte ich mir eine Wildlederjacke. Diese habe ich heute noch. Diese Jacke trug ich zwar selten, aber ich habe sie heute immer noch. Und sie sieht noch fast neu aus.

Aus gesundheitlichen Gründen musste ich meinen Beruf 1985 leider aufgeben. Vor sechs Jahren arbeitete ich aber in der Buchrestaurierung und hatte die Möglichkeit, mit 300 Jahre alten Büchern zu arbeiten. Der Duft dieser Bücher im Archiv hat es mir angetan. Hier konnte ich den Buchdruck noch einmal riechen. Wer sich dafür interessiert, weiß, was ich meine.

<6>Schade, dass ich von meinen Jungs von damals später nichts mehr gehört habe. Ich möchte mich bedanken für diese schöne Zeit."