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Wagner-Oper Vor 150 Jahren wurde "Das Rheingold" uraufgeführt

Götter, Riesen und Zwerge kämpfen um den Macht verheißenden Ring: Vor 150 Jahren wurde Richard Wagners Oper "Das Rheingold" uraufgeführt. Ein König hatte entscheidenden Anteil daran.

Von Stephan Maurer, dpa 20.09.2019, 16:14

München (dpa) – Es beginnt mit einem tiefen Summen der Kontrabässe, Fagotte kommen hinzu und Hörner. Ein Strömen, ein Urton in Es-Dur, träumerische Zeitlosigkeit, 136 Takte, mehr als vier Minuten lang.

Dann stimmen die Rheintöchter ihren Gesang an, einen der wohl seltsamsten Texte der Opernliteratur: "Weia! Waga! Woge, du Welle! Walla zur Wiege! Wagalaweia! Wallala Weiala weia!" Damit eröffnet Richard Wagner seine Oper "Das Rheingold", den ersten Teil (er selbst nannte ihn "Vorabend") des gewaltigen Vierteilers "Der Ring des Nibelungen". Vor 150 Jahren, am 22. September 1869, wurde "Das Rheingold" in München uraufgeführt.

Und zwar in Abwesenheit des Komponisten: Wagner sah den "Ring" - der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertiggestellt war – als Einheit. Erst in einem eigens dafür erbauten Festspielhaus sollte er erstmals erklingen. Doch sein Gönner setzte sich durch: Der bayerische König Ludwig II., dem Wagner das "Rheingold" gewidmet hatte und der im Besitz der Partitur war, wollte nicht länger warten. Er beraumte die Aufführung im Königlichen Hof- und Nationaltheater an. Mehrmals wurde sie verschoben. Der ursprünglich vorgesehene Dirigent Hans Richter legte die Leitung nieder, Hofkapellmeister Franz Wüllner sprang ein. Wagner selbst blieb der Premiere fern.

Über die Uraufführung schreibt der Wagner-Forscher Udo Bermbach in seinem Buch "Mythos Wagner": "Die "Süddeutsche Presse" gab einen Eindruck von dieser Uraufführung. Überfüllt sei das Theater gewesen, von drangvoller Enge, und doch habe niemand die Vorstellung verlassen, denn dem "eigenthümlichen Zauber" des Werkes und der Musik habe sich niemand ... entziehen können." Dagegen hätten die "Münchner Neuesten Nachrichten" festgestellt, dass der Beifall "künstlich gemacht, von einigen aufdringlichen Leuten oktroyiert" worden sei - Wagner polarisierte das Publikum.

Am "Ring" mit seinen vier Opern "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" hat Richard Wagner (1813-1883) rund ein Vierteljahrhundert lang gearbeitet. Erst 1874 schloss er die "Götterdämmerung" ab. Das "Rheingold" war schon 20 Jahre früher fertig. In dem etwa zweieinhalbstündigen Werk werden die Grundlagen für das Götter- und Heldendrama gelegt: Der Zwerg Alberich raubt den Rheintöchtern das Rheingold, das, zu einem Ring geschmiedet, grenzenlose Macht verleiht. Dafür muss er der Liebe abschwören.

Alberich unterjocht nun die Nibelungen, doch nur kurz kann er sich an seiner Macht erfreuen, dann lässt er sich von Göttervater Wotan überlisten und muss den Ring hergeben – nicht ohne ihn zuvor zu verfluchen. Das bekommt Wotan zu spüren, er ist die Beute gleich wieder los, der Ring geht an den Riesen Fafner. Während die Götter triumphierend in ihre von den Riesen errichtete Burg Walhall einziehen, nimmt der Untergang der Götterwelt bereits seinen Lauf. Erst viele Bühnenstunden später, am Ende der "Götterdämmerung", gibt Wotans Tochter Brünnhilde den fluchbeladenen Ring schließlich dem Rhein zurück.

Musikalisch bot Wagner den Besuchern der Uraufführung Neues: In großer Zahl ertönen die sogenannten Leitmotive, die die Handlungsträger, aber auch Objekte wie den Ring oder Wotans Speer begleiten, ebenso Gedanken und Gefühle wie etwa den Liebesverzicht oder Alberichs Fluch. Die Oper ist durchkomponiert, es gibt keine einzelnen Nummern mehr. Lange Orchesterpassagen leiten von einer Szene zur nächsten über. Am eindrucksvollsten gelingt dies beim Abstieg von Wotan und seinem Begleiter Loge in Alberichs Reich Nibelheim, wenn die Verwandlungsmusik mit metallischem Hämmern in die Schmiede der Nibelungen führt.

Macht und Gier, Liebe und Gewalt sind zentrale Themen im "Rheingold", das mit seinem Personal von Nixen, Zwergen, Riesen und Göttern zugleich wie ein Märchen erscheint. Für Interpretationen gibt es hier viel Platz. Von Kapitalismuskritik und Umweltzerstörung bis zu tiefenpsychologischen Deutungen reicht die Spanne der Inszenierungen.

Mit Alberich "tritt das radikal Böse in die Welt", schrieb etwa der Literaturwissenschaftler und Wagner-Forscher Dieter Borchmeyer: "Dieses Böse vergiftet die Natur, verwandelt die segenspendende mythische Persönlichkeit des Goldes in eine verdinglichte Macht, die alle menschlich-sittlichen Bande zerreißt." Schon der irische Dramatiker George Bernard Shaw (1856-1950) hatte im "Rheingold" eine Allegorie auf den industriellen Kapitalismus im 19. Jahrhundert gesehen – diesen Gedanken nahm der französische Regisseur Patrice Chéreau in seinem Bayreuther "Jahrhundert-Ring" 1976 auf.

Wagners Vision, den "Ring" als Ganzes und in seinem eigenen Festspielhaus aufzuführen, wurde erst neun Jahre nach der Münchner "Rheingold"-Uraufführung Wirklichkeit. Am 13. August 1876 waren erstmals die wundersamen Es-Dur-Klänge im Bayreuther Festspielhaus zu hören.