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  5. Demos gegen die AfD in Deutschland - Wie werden Teilnehmerzahlen ermittelt?

Protest gegen die AfD Hunderttausende demonstrieren in ganz Deutschland – doch wie wird da gezählt?

An diesem Wochenende sind in Deutschland Hunderttausende Menschen für die Demokratie und gegen die AfD auf die Straße gegangen. Aus zahlreichen Städten gingen Bilder von Menschenmassen um die Welt. Doch wie lassen sich in solch einem Fall überhaupt Teilnehmerzahlen ermitteln?

Von Stephan Lohse Aktualisiert: 22.01.2024, 15:33
Bereits am Freitag emonstrierten in Hamburg Zehntausende, vielleicht auch mehr als 100.000 Menschen gegen die AfD. Solche Massen lassen sich nur schätzen. 
Bereits am Freitag emonstrierten in Hamburg Zehntausende, vielleicht auch mehr als 100.000 Menschen gegen die AfD. Solche Massen lassen sich nur schätzen.  Foto: IMAGO/Stephan Wallocha

Magdeburg/Halle (Saale)/DUR – In ganz Deutschland sind am Wochenende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextreme zu demonstrieren. Berlin meldete am Sonntag rund 100.000 Teilnehmer, in München und Hamburg gehen die Schätzungen teils noch höher. Auch Halle erlebte mit rund 16.000 Teilnehmern die größte Demonstration seit der Wende.

Doch wie werden bei solchen Menschenmassen überhaupt Teilnehmerzahlen ermittelt?

Teilnehmerzahlen bei Demos: Es ist fast immer eine Schätzung

Bei Konzerten oder Sportveranstaltungen ist es einfach: Um zu wissen, wie viele Menschen vor Ort waren, müssen nur die eingelösten Eintrittskarten gezählt werden. Bei einer Demo ist das deutlich schwerer. Es gibt keine abgegrenzte Demo-Fläche, jeder kann kommen und gehen, wie er will.

Entsprechend kann jede Teilnehmerzahl nur eine Schätzung sein. Die Wissenschaft hat jedoch Methoden entwickelt, möglichst genau zu wissen, wie viele Menschen vor Ort sind.

Die beste Methode: eine laufende Demo zählen

Vergleichsweise einfach ist es bei einer laufenden Demonstration. Theoretisch könnte man sich an einer möglichst engen Stelle an die Seite stellen, und tatsächlich jeden Demo-Teilnehmer zählen. Bei kleineren Versammlungen ist das ein probates Mittel. Um nicht im Kopf zählen zu müssen, gibt es sogenannte „Hand-Klick-Zähler“, bei denen ein Daumendruck reicht und ein Zählwerk zählt mit.

Je größer die Demo, desto schwieriger wird das aber. Vor allem, weil Polizei und Versammlungsleiter dann dafür sorgen, dass die Demo nicht durch Engstellen läuft, sondern auf möglichst breiten Straßen. Und je breiter der Menschenstrom ist, desto schwerer lässt er sich zählen.

Bei großen Demos: Zeit stoppen und Mengen schätzen

Hier gibt es eine weitere Methode: Der zählende Beobachter stoppt die Zeit vom ersten Teilnehmer, der eine imaginäre Linie überschreitet bis zum letzten Teilnehmer. Dann muss er nur noch beobachten, wie viele Menschen etwa pro Sekunde an ihm vorbei laufen.

In Halle dauerte es kurz vor dem Erreichen des Steintors etwas mehr als 26 Minuten, bis alle Demo-Teilnehmer eine bestimmte Kreuzung überquert hatten. In dieser Zeit zogen pro Sekunde etwa 10 Menschen vorüber. Der Rest ist einfache Mathematik.

Diese Methode ist bei großen Demos deutlich leichter umsetzbar, ist allerdings weniger genau, weil die Menschenmenge mal dicht gedrängt und mal lockerer läuft. Für eine Schätzung ist diese Methode jedoch gut geeignet und wird auch regelmäßig angewendet.

Deutlich komplizierter ist die Teilnehmerschätzung, wenn es sich lediglich um eine stationäre Kundgebung handelt. Hier steigt entsprechend die Fehlerquote.

Teilnehmer-Zählung bei Kundgebungen: Schätzung über die Fläche

Eine Möglichkeit ist es, die Fläche auszumessen, auf der sich Teilnehmer befinden. Dann wird geschaut, wie eng die Teilnehmer stehen, also: wie viele Menschen stehen auf einem Quadratmeter. Dann werden beide Werte miteinander multipliziert.

Das Problem dabei: nicht immer lässt sich der Rand der Versammlungsfläche genau abgrenzen, zudem stehen die Teilnehmer mal dicht gedrängt, an anderen Stellen hingegen locker. Das macht die Berechnung schwieriger.

Wie viele Menschen sind vor Ort? Auszählen per Luftbild

Eine andere Möglichkeit ist das Auszählen mit Hilfe von Luftbildern: Hier werden aus der Luft oder von einer erhöhten Position aus Bilder der kompletten Demo-Fläche gemacht. Und dann werden Köpfe bzw. Mützen gezählt. Das geschieht meist, indem jede erkannte Person am Computer mit einem Punkt markiert wird, der Computer zählt die Punkte dann zusammen.

Das Problem hier: Die Bildqualität muss gut sein. Schwarze Kleidung macht das Zählen schwer, Kinder in der Menge werden gegebenenfalls gar nicht erkannt. Bäume, Dächer und Hausfassaden sorgen für nicht einsehbare Stellen. Und: Bei großen Versammlungsflächen würde das Auszählen Tage dauern.

Daher nutzt man diese Methode entweder erst im Nachhinein, oder man zählt nur einen ausgewählten Abschnitt der Versammlung und rechnet die Zahlen dann auf die ganze Fläche hoch.

Teilnehmerzahlen von Demos: So arbeitet die Polizei

Auch die Polizei nutzt diese oder ähnliche Methoden. So können die Beamten bei stationären Kundgebungen den Zulauf auf den einzelnen Wegen zum Versammlungsort zählen. Alternativ nutzt auch die Polizei bei großen Kundgebungen den Blick von oben, zählt dann auf einer etwa 10 Mal 10 Meter großen Teilfläche die Zahl der Menschen und rechnet das dann hoch.

Wenn sich eine Demo bewegt, zählt die Polizei bei kleineren Versammlungen direkt, bei größeren wird geschaut, wie viele Menschen laufen nebeneinander, danach wird die Zahl der Reihen gezählt, berichtet eine Sprecherin der Polizeiinspektion Magdeburg aus dem Demo-Procedere.

Zudem könnten erfahrene Beamte die Menge immer mit früheren Versammlungen vergleichen, um die vor Ort ermittelten Zahlen noch einmal zu überprüfen. Allerdings gelte immer: je größer die Personenzahl, umso unpräziser wird die Erhebung, ergänzt die Polizeiinspektion Halle. Zudem könne es natürlich passieren, dass Personen sich erst später der Demo anschließen oder sie vor dem Ende verlassen.

Teilnehmerzahlen auf Demos: Unterschiedliche Angaben von Polizei und Veranstaltern

Daher komme es auch immer mal zu größeren Unterschieden zwischen Polizei und Veranstaltern, die oft etwas großzügiger zählen als die Beamten.

So habe es in der jüngeren Vergangenheit eine Versammlung auf dem Magdeburger Domplatz gegeben, bei der der Organisator von 100.000 Menschen sprach. Das konnte die Polizei Magdeburg umgehend ins Reich der Fantasie verweisen – denn so viele Menschen fasst der Platz gar nicht.