Kremlflieger Rust versetzte vor 25 Jahren die Welt in Staunen / Bis heute ranken sich um den Flug Legenden Cessna am Roten Platz - eine Sensation in Zeiten des Kalten Krieges
Fast bis in Herz der kommunistischen Machtzentrale dringt der deutsche Hobbypilot Mathias Rust aus dem kapitalistischen Westen vor, als er vor 25 Jahren am Roten Platz landet. Sein Ziel, ein Treffen im Kreml mit dem Sowjetreformer Michail Gorbatschow, erreicht der Teenager aus Wedel bei Hamburg am 28. Mai 1987 freilich nicht.
Aber der junge Mann, der die Luftabwehr des Ostblocks in Zeiten des Kalten Krieges durchbricht, versetzt die Welt in Staunen. "Keiner konnte damals glauben, dass ausgerechnet am "Tag der Grenztruppen" ein unerfahrener junger Pilot im Tiefflug bis ins Herz des aufgerüsteten Landes vordringen konnte", sagt Wladislaw Below, Direktor des Zentrums für Deutschlandforschung bei der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Rust selbst hat den Flug mit der gemieteten Cessna stets als Friedensmission dargestellt. Er sei fasziniert gewesen von der Idee einer Annäherung zwischen den USA und der Sowjetunion.
Nach monatelangen Vorbereitungen fliegt er von Hamburg über die britischen Shetland-Inseln nach Reykjavik, einige Tage später nach Helsinki und startet von dort aus in Richtung Moskau. Er entscheidet sich dann für eine Landung in Kremlnähe auf einer Brücke über der Moskwa und rollt neben der Basiliuskathedrale am Roten Platz aus.
Die Sensation ist perfekt. Rusts Hoffnung, dass die Sowjets seinen Flug als Signal für Frieden und Abrüstung annehmen, zerschlägt sich rasch. Der Geheimdienst KGB verhört ihn. Ein Gericht verurteilt ihn zu vier Jahren Haft. Nach 432 Tagen wird er am 8. August 1988 begnadigt. Aber um den Flug bilden sich rasch Legenden. So heißt es, dass der Flug eine Inszenierung des Lagers um den Reformer Gorbatschow gewesen sein könnte, um kommunistische Hardliner im Militär loszuwerden.
Gorbatschow hatte die Verletzung der sowjetischen Staatsgrenze und das Versagen der Luftabwehr für eine bis dahin beispiellose Säuberung in der Armee genutzt. Etwa 300 Offiziere verloren ihre Posten.
Der Deutschland-Forscher Below hält Rust allenfalls für eine "Fußnote" der Geschichte, aber für keinen, der Aussöhnungsprozesse zwischen Ost und West in Gang gesetzt oder sogar ein bisschen am Eisernen Vorhang gesägt hätte.
Was aus Rust geworden ist? Der 43-Jährige arbeitet heute als Finanzanalyst bei einer Firma in der Schweiz, wie der Buchautor Ed Stuhler zum Jahrestag schreibt. Wie Stuhler spart auch die Dokumentarfilmerin Gabriele Denecke nicht aus, dass Rust erneut mit dem Gesetz in Konflikt kommt, als er ein Jahr nach seiner Rückkehr auf eine Schwesternschülerin einsticht und wegen versuchten Totschlags zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wird. (dpa)