Fitness-Hype Der Körper als Visitenkarte
In Sachsen-Anhalt stählen mehr als 150 000 Menschen regelmäßig ihren Körper. Auf dem Markt buhlen auch Nischenanbieter um die Kunden.
Magdeburg l Die große Halle im Magdeburger Wissenschaftshafen war einst eine Waschanlage für Lastkraftwagen. Im Andenken an die Vergangenheit liegen auf dem Boden zwei große Lkw-Reifen. Je 280 Kilogramm schwer. Die stemmt auch Andreas Handschuck nicht so leicht. Der Magdeburger Fitness-Trainer ist Inhaber der Crossfit-Box in der Landeshaupstadt. So nennt der 30-Jährige sein Studio.
Mitte der Neunzigerjahre ist Crossfit in den USA entstanden. Seitdem ist es dort zur Massenbewegung geworden. In Magdeburg hat Andreas Handschuck seine Box 2012 eröffnet. Derzeit schwitzen unter Anleitung von sieben Trainern insgesamt 120 Mitglieder. Spartanisch und zweckorientiert ist die Einrichtung. Auf dem Boden liegen Gewichte aus Eisen, es gibt Stangen für Klimmzüge und eine Sofaecke zum Ausruhen. Denn das Training ist hart. Bei Crossfit werden verschiedene Fitnessdisziplinen miteinander kombiniert. Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance, Koordination und Genauigkeit.
"Die einzelnen Übungen sind nicht neu", erklärt Handschuck. "Entscheidend ist die Zusammenstellung und die hohe Intensität, mit der das Training durchgeführt wird." Auf einen Trainer kommen in der Magdeburger Box pro Kurs maximal zehn Teilnehmer. Die individuelle Betreuung hat ihren Preis. 60 bis 100 Euro pro Monat kostet die Mitgliedschaft, die sich danach richtet, wie oft die Kunden teilnehmen.
Nischenanbieter wie Crossfit strömen in den Fitness-Markt. Nicht ohne Grund schießen die Anbieter aus dem Boden. Denn die Zahl der Menschen, die regelmäßig Sport treiben, wächst seit Jahren. Auch in Sachsen-Anhalt. Hierzulande waren im vergangenen Jahr 156 000 Menschen in den klassischen Fitnessstudios angemeldet. Auch die Zahl der Anlagen legt seit Jahren zu. 2014 gab es 152 Clubs.
Mario Bauermeister betreibt in Magdeburg zwei Fitnessstudios. Er hat den Wandel der Branche miterlebt. In diesem Jahr gibt es sein Studio, das er Fitness-Class getauft hat, seit 20 Jahren. "Fitness war in den Neunzigerjahren als Muckibude verschrien. Mittlerweile steht klar die Gesundheit im Fokus", sagt Bauermeister. Deswegen finden sich in den Räumen an der Halberstädter Straße längst nicht mehr nur Hanteln, Gewichte und Laufbänder.
Bauermeister bietet seinen 2600 Mitgliedern auch Betreuung durch Physiotherapeuten und Ärzte. Eine Rückenschule zählt zum Angebot, ebenso ein Sauna- und Wellnessbereich. Auch eine Kinderbetreuung bietet Bauermeister an, denn 60 Prozent seiner Kunden sind Frauen. "Die Nachfrage ist da. Wir sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen", erklärt der Geschäftsführer.
Deutschlandweit ist die Fitness-Branche der am schnellsten wachsende Bereich im Sport. Im vergangenen Jahr stieg die Mitgliederzahl in den Sportstudios um 5,6 Prozent, so eine Studie der Sport Business Gruppe Deloitte. Sachsen-Anhalt hat verglichen mit dem Rest der Republik aber noch Luft nach oben. Bundesweit sind hier die wenigsten Menschen Mitglied in einem Fitnessclub.
Vielen Menschen geht es nicht mehr nur darum, gesund zu leben. "Fit zu sein, bedeutet leistungsfähig zu sein. Der körperliche Zustand wird auch zum Symbol für mentale Fitness. Es herrscht immer mehr die Einschätzung vor: Wer seinen Körper nicht in den Griff bekommt, hat auch sein Leben nicht im Griff", erläutert Bewegungswissenschaftlerin Anita Hökelmann, die an der Universität Magdeburg die körperliche Leistungsfähigkeit in Bezug auf das soziale Leben untersucht. Der Körper wird zur Visitenkarte, zum Ausstellungsstück des eigenen Lebens. "Wir haben in der Gesellschaft einen starken Trend hin zur Individualität", sagt die Professorin. Das zeige auch der Zuspruch, den die Nischenanbieter am Fitness-Markt bekämen, so Hökelmann. Die hochintensiven Programme seien ein Zeichen für die eigene Leistungsfähigkeit.
Verstärkt wird der Körperkult durch Fotos, die täglich in den sozialen Medien zur Schau gestellt werden. Die Selbstdarstellung in der digitalen Welt gewinnt auch im Sport an Bedeutung, sagt Hökelmann. Während in der Crossfit-Box von Andreas Handschuck vor allem jüngere Menschen an ihrem Körper arbeiten, sind im Fitnessstudio von Mario Bauermeister auch ältere Menschen angemeldet. "Unser Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren", sagt Bauermeister.
Wissenschaftlerin Anita Hökelmann empfiehlt bis ins hohe Alter neue Sportarten auszuprobieren. Ihre Untersuchungen hätten ergeben, dass das Erlernen neuer Bewegungsabläufe im engen Zusammenhang steht mit geistiger Fitness. Hökelmann sagt: "Wenn Menschen im Alter fit bleiben wollen, dürfen sie nicht nur schwimmen und Radfahren." Etwas Neues erlernen in Kombination mit Bewegung sei die effektivste Art, um im Alter nicht abzubauen.