Theatermeister Frank Castorf „Die AfD ist die Rache des Ostens“
Theaterstar Frank Castorf spricht über Rechtspopulisten und seine Lieblings-Arztserie.
Deutschlands Theaterstar Frank Castorf sticht wieder in ein Wespennest und äußert sich über AfD-Erfolge, den Ukraine-Krieg und die US-Wahlen. Der Regisseur, der gegenwärtig am Berliner Ensemble Hans Falladas Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“ inszeniert, äußert sich im Interview mit der „Berliner Zeitung“ als gewohnt unkonventioneller Analyst der Zeitpolitik.
„Ich denke, sie sind angetrieben von einem ganz einfachen Gedanken. Die AfD ist die Rache des Ostens. Es ist ja auch ein Skandal: Wer leitet die Redaktionen, Theater, Museen, Hochschulen, wer sitzt den Gerichten vor? Christoph Hein hat zutreffend beschrieben, wie die Westprofessoren, die zu Hause keine Posten abbekommen haben, aus der zweiten Reihe in die offene Wunde Ostdeutschlands stießen. Wie die sich unterbringen und in aller Selbstverständlichkeit bereichern wie die ehemalige RBB-Intendantin“, antwortet er auf die Frage, ob es Sehnsucht nach Veränderung sei, die AfD-Wähler antreibe. Castorf weiter: „Jetzt will der Westen die Mauer wieder hochziehen. Schnell die AfD-Wähler ausgrenzen und von den Institutionen fernhalten – aber wie soll das gehen, ohne die Wahlkabinen mit Überwachungskameras auszustatten? Und dann sind wir in der DDR plus.“
Er schäme sich schon ein bisschen über die Wahlergebnisse, erkenne aber „keine richtige Lösung“. Und er sehe auch, wie Wahlen in den USA „zustande kommen, die sind ein Ausdruck der hoch kapitalisierten Wirtschaft. Und auf der anderen Seite steht Putin, der auf seine Weise auf die veränderte politische Lage durch die Ausweitung der Nato reagiert. Man wird sehen, wie diese Schlacht ausgeht.“ Er wolle sich auch hier seine eigene Meinung gestatten. Castorf: „Ich werde immer dann besonders skeptisch, wenn man mir sagt, dass ich davon nichts verstehe und man es lieber den Experten überlassen sollte.“
Die Meinungsfreiheit im Westen hält er nicht mehr für intakt: „Mit unausgesprochenen Pflichten und Verboten muss man heute auch zurechtkommen. Man wird so schnell kaltgestellt, wenn man etwas Falsches sagt.“ Er kenne das noch von früher.
Der Bayreuth-Regisseur Castorf klingt inzwischen fatalistisch: „Na, das Kleinbürgerliche ist ja in mir. Man erschöpft sich, stürzt ab in der Zerrissenheit der Welt, weiß, dass man sterben wird und guckt die Arztserie ,In aller Freundschaft’.“
Angst vor Konsequenzen wegen kritischer Äußerungen hat der Ostberliner Castorf (Jahrgang 1951) allerdings nicht mehr: „Nein, es ist ja auch völlig uninteressant, was ich meine. Bei mir hat es die Biologie ohnehin bald erledigt, da muss man nicht mit einem Arbeitsverbot kommen.“ (UK)