Geblitzt Flensburg: Wird der Punktehandel bald gestoppt? Wenn Fremde Verkehrssünden übernehmen
Wer zu schnell fährt, dem drohen meist Punkte in Flensburg. Praktisch, wenn Dritte oder gar Dienstleister diese Punkte auf sich nehmen. Eine gesetzliche Grauzone erlaubt den Punktehandel in Flensburg. Aber wie lange noch?

Halle (Saale)/Magdeburg. - Ist es in Ordnung, für ein paar Hundert Euro seine Punkte in Flensburg auf eine andere Person abzuschieben? Nein, meinen viele Experten. Doch wie das Vorgehen verhindert werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar wird über einen möglichen neuen Straftatbestand für diesen Punktehandel debattiert.
Punktehandel in Flensburg ist eine "irre Sauerei"
„Das ist eine irre Sauerei“, sagt Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft leitet. Die Möglichkeit des Punktehandels nütze vor allem Menschen, die bereits viele Punkte haben. Ihnen droht der Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens ein halbes Jahr. Doch durch den Punktehandel wird diese Strafmaßnahme so gut wie wertlos, weil die Täter dem Strafsystem entgehen, weiß Brockmann.
Auch interessant: 112,1 Millionen Euro Bußgeld für Verkehrssünder
Wie läuft der Punktehandel ab?
Nachdem ein Raser geblitzt wurde, sendet die Polizei einen Brief an den Halter eines geblitzten Fahrzeuges. Vor allem, weil der Fahrer nicht zweifelsfrei erkennbar ist. Um der Strafe zu entgehen, sucht sich der mutmaßlich beschuldigte Fahrer meist über einen Punktehandel-Makler einen externen Dritten, der ihn vertritt.
"Diese Person meldet sich daraufhin bei der Polizei und gibt an, am Steuer gesessen zu haben", erklärt Markus Schäpe, Leiter der Juristischen Zentrale beim Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC). Bei dem Dritten kann es sich um einen Bekannten handeln oder eben eine Person, deren Dienst über entsprechende Firmen im EU-Ausland online gekauft werden kann.
Das Problem dabei: Da der vermeintliche Fahrer sich selbst bei den Behörden meldet und nicht vom tatsächlichen Fahrer angegeben wird, werden Straftatbestände umschifft. Rechtlich handelt es sich damit nämlich nicht um eine falsche Verdächtigung. Auch das Vortäuschen einer Straftat greift nicht, da es sich bei den entsprechenden Verkehrsdelikten nur um Ordnungswidrigkeiten handelt.
"Wenn der Schwindel entdeckt wird, bleibt es nur bei der Ahndung des Verkehrsverstoßes", sagt Schäpe. Bußgeldstellen fehle die rechtliche Handhabe, um die Vergehen weiterzuverfolgen und beispielsweise anzuzeigen. Hier schaffe ein Straftatbestand Abhilfe - allein schon als Drohkulisse.
Lesen Sie auch: Verkehrsgerichtstag: Punktehandel und Unfallflucht im Fokus
Punktehandel: Keine genauen Zahlen vorhanden
Wie oft genau der Punktehandel betrieben wird, dazu gibt es laut Schäpe keine belastbaren Zahlen. Es komme allerdings immer mal wieder vor. Autofahrer, die kurz davor sind, den achten Punkt zu bekommen, dürften zu den Menschen gehören, die am ehesten auf das System Punktehandel zurückgreifen.
Bei acht Punkten wird nämlich die Fahrerlaubnis entzogen. Frühestens nach Ablauf von sechs Monaten darf erst eine neue erteilt werden. Laut dem ADAC-Justiziar erreichen jährlich etwa 5000 Menschen diese Schwelle. "Das sind die Unbelehrbaren, die eine große Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen", so Schäpe.
Ebenso interessant: Halle kassiert kräftig ab - Raser und Falschparker spülen Millionen in Stadtkasse
Punktehandel: Polizei will Gesetzesänderung
Die Gewerkschaft der Polizei plädiert dafür, dass die Gesetzeslücke unverzüglich geschlossen wird. Verkehrsunfälle seien keine Nebenwirkung des Straßenverkehrs, "sondern fast immer Folgen eines vermeidbaren menschlichen Fehlverhaltens". Hierzu zählen:
- Überhöhte Geschwindigkeit
- Ablenkung durch Handys
- Fahren unter Alkohol
- Fahren unter Drogeneinfluss
Um dieses Fehlverhalten einzudämmen, ist es laut Polizeigewerkschaft nötig, den Punktehandel in Flensburg zu stoppen. Vielleicht kann das System so gestoppt werden, hoffen die Beamten.
Automobilclub von Deutschland ist gegen Gesetzesänderung
Der Automobilclub von Deutschland hält die aktuelle Rechtslage hingegen für ausreichend. Falschaussagen würden durchaus auffallen und es gebe dann genügend Mittel, um gegen die Täter vorzugehen. Der Autoclub rät Menschen, denen ein Punkt droht, lieber einen Anwalt zu nehmen. Diese Ansicht vertritt auch der Deutsche Anwaltverein.
Bisher gibt es laut dem Anwaltsverein verschiedene Gerichtsurteile zum Punktehandel. Es bestehe daher durchaus die Möglichkeit, dass Strafverfahren gegen Menschen eingeleitet werden, die versuchen, Bußgeldbehörden auszutricksen. Zudem könnten auch beispielsweise Fahrtenbuchauflagen verhängt werden - selbst wenn der Punktehandel selbst nicht bestraft wird.
Auch interessant: Keine festen Radarfallen in Magdeburg: Ein Paradies für Raser?
Weniger Delikte mit Punkten geahndet
2022 wurden in etwa 4,1 Millionen Fällen Punkte an Autofahrer wegen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verteilt, wie aus dem Fahreignungsregister des Kraftfahrtbundesamtes hervorgeht. Demnach ist die Zahl seit 2019 beständig gesunken. Damals waren es noch rund 4,7 Millionen Fälle. Meistens erhalten Autofahrer die Punkte für Ordnungswidrigkeiten und nicht im Zusammenhang mit Straftaten: 2022 circa 3,9 Millionen Mal.
Ein bekanntes Beispiel für ein Vergehen, das mit Punkten geahndet werden kann, ist überhöhte Geschwindigkeit. 2.453.000 Mal wurden Menschen in Deutschland 2022 geblitzt. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. 2019 waren es noch etwa 3 Millionen Fälle.
Ein anderes Beispiel ist Alkohol am Steuer. Hier wurden im Jahr 2022 117.000 Verstöße festgestellt, wie das Kraftfahrtbundesamt mitteilte. Auch diese Zahl war in den vergangenen Jahren relativ stabil: 2019 wurden 116.000 Fälle registriert.