Mit 92 Jahren Gerhart Baum tot - FDP verliert „unbequemen Impulsgeber“
Er stand wie kein anderer für den linksliberalen Flügel der FDP, war Innenminister unter Helmut Schmidt. Nun ist Gerhart Baum gestorben.
![Gerhart Baum starb im Alter von 92 Jahren.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/15/5c9e3858-ae0d-4187-bddd-a76b1331eb1c.jpeg?w=1024&auto=format)
Berlin - Der frühere Bundesinnenminister und FDP-Politiker Gerhart Baum ist tot. Er starb im Alter von 92 Jahren, wie die FDP und seine Anwaltskanzlei bestätigten. Zuvor hatte die ARD berichtet. Nach Angaben seines Anwaltskollegen Julius Reiter starb Baum in der Nacht zu Samstag in der Universitätsklinik Köln. Baum repräsentierte über Jahrzehnte den linksliberalen Parteiflügel der FDP und meldete sich immer wieder öffentlich zu Wort, wenn er den Eindruck hatte, dass die FDP zu sehr in neoliberale Gewässer abdriftete.
FDP-Chef Christian Lindner würdigte Baum als einen großen Verfechter von Freiheit und Bürgerrechten. „Mit Gerhart Baum haben unser Land und die Freien Demokraten eine der kräftigsten Stimmen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie verloren“, erklärte Lindner mit. „Er war eine unabhängige Persönlichkeit mit kritischem Urteil, die unsere liberale Familie gestärkt hat.“ Die FDP sei Baum zu großem Dank verpflichtet. „Sein Rat und sein kritischer Blick werden uns fehlen.“
Linksliberale Opposition in der eigenen Partei
Baum gehörte neben seinem im März 2020 gestorbenen Freund Burkhard Hirsch zur zuletzt kleinen Gruppe sozialliberaler FDP-Mitglieder, die sich zusammen mit Hildegard Hamm-Brücher und dann auch mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Freiburger Kreis zusammenschlossen. Das bedeutete quasi linksliberale Opposition in der eigenen Partei.
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte Baum einen großen Streiter für die Bürgerrechte. Baum sei ein „unbequemer Impulsgeber“ und ein „hartnäckiger Diskutant“ gewesen, „der seine Partei und seine Parteifreunde bis zum Äußersten reizen konnte“, schrieb sie auf X. „Niemand von uns blieb verschont. Trotzdem bildete er einen wichtigen Pol.“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte Baum einen unbeugsamen Streiter für die liberale Demokratie. „Sein Engagement für die Grundrechte und seine Überzeugung, dass Freiheit und Sicherheit kein Widerspruch sein dürfen, sind Vermächtnisse, die uns weiterhin leiten werden.“ Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) würdigten Baum.
Innenminister unter Helmut Schmidt
Von 1978 an war Baum vier Jahre lang Bundesinnenminister unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt - in der Zeit des RAF-Terrors. Nach der Wende der FDP von der SPD zur Union 1982 war die sozialliberale Koalition am Ende. Etliche - vor allem junge - FDP-Mitglieder verließen damals die Partei. Baum blieb und war von 1982 bis 1991 noch FDP-Vize.
„Angesichts der Herausforderung durch den Terrorismus der RAF war es Gerhart Baums tiefe Überzeugung, dass eine demokratische Gesellschaft mit Bedrohungen umgehen kann und muss, ohne dabei in Unfreiheit zu verfallen“, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Mit Gerhart Baum verlieren wir einen Menschen, der über lange Jahre den Diskurs in unserem Land geprägt hat.“
Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag arbeitete er wieder als Rechtsanwalt. Bis zuletzt führte er - unter anderem zusammen mit Hirsch und Leutheusser-Schnarrenberger - erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen staatliche Überwachung: gegen den Großen Lauschangriff, die Vorratsdatenspeicherung oder das Luftsicherheitsgesetz von Rot-Grün zum Abschuss entführter Passagiermaschinen.
Arbeitete noch an Buchprojekt
Sein Düsseldorfer Anwaltskollege Reiter würdigte Baum als beispielgebenden Anwalt. Baum und er seien persönlich befreundet gewesen, sagte Reiter. Als Sozius sei er ein „beispielgebender Rechtsanwalt“ und ein Mentor für ihn gewesen. „Wir werden ihn vermissen.“ Die beiden Männer arbeiteten in der Düsseldorfer Kanzlei „baum reiter & collegen“ zusammen. Baum habe noch an einem Buchprojekt gearbeitet und in der Klinik viel Besuch empfangen, berichtete Reiter. Er selbst sei noch vorgestern bei ihm gewesen. „Er ist immer gern unter Menschen gewesen.“
Baum sei ein unbeugsamer Verteidiger der Bürger- und Menschenrechte gewesen und „eine Stimme der Vernunft, gerade in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Umbrüche“, betonte Henning Höne, Chef der FDP in Nordrhein-Westfalen. Auch nach seiner aktiven Zeit in der Politik sei Baum ein „mahnendes Gewissen“ geblieben.
Baum, geboren am 28. Oktober 1932, stammte aus dem Dresdner Bildungsbürgertum. Vater und Großvater waren ebenfalls Rechtsanwälte. Die Mutter, eine Russin, floh mit den Kindern nach der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 an den Tegernsee. 1950 zog die Familie nach Köln.