Bildung Hochschulangebote für Senioren
Hörsäle stehen auch älteren Menschen offen. Viele Universitäten bieten ein speziell auf Senioren zugeschnittenes Programm an.
München/Leipzig (dpa) l "Ein Hörsaal voller junger Leute, das ist nichts für mich", dachte Friederike Wittmann, als sie von einer Bekannten hörte, die sich an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München für ein Studium eingeschrieben hatte. Noch einmal Neues lernen, die Zeit während der Rente mit Wissen füllen – dieser Gedanke reizte die 74-Jährige allerdings schon. Und eine Idee, in welchen Fachbereich sie sich vertiefen will, hatte sie auch. "Mein Jahrgang hatte im Geschichtsunterricht in der Schule gerade noch die Kriegserklärung zum Ersten Weltkrieg", erzählt sie.
Wittmann entschied sich für ein Angebot der Seniorenakademie des Münchner Bildungswerks, getragen vom Verein Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt und im Landkreis München. Für das sechssemestrige Grundstudium besuchte sie über drei Jahre hinweg einmal pro Woche jeweils drei Kurse und setzte sich mit Geschichte auseinander – von der Antike bis zum Grundgesetz. Außerdem standen Literatur, Architektur und Psychologie auf dem Stundenplan. Kostenpunkt: knapp 300 Euro pro Semester.
Studieren im Alter ist keine Seltenheit. "Die Tendenz ist eindeutig steigend", sagt Bernd Werner Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS). Neben Angeboten von Volkshochschulen oder freien Trägern, wie sie Wittmann besucht hat, gibt es auch an den Universitäten verschiedene Möglichkeiten, die oft sogar günstiger sind. Der AVDS gibt regelmäßig einen Studienführer heraus, der einen Überblick über alle Angebote gibt. Etwa 55 000 Senioren zählt der Verein aktuell an deutschen Universitäten, die meisten von ihnen sind Gasthörer.
Der Weg in den Hörsaal oder Seminarraum ist relativ einfach. Bis auf einige Ausnahmen – wie an der LMU in München – benötigt man kein Abitur, auch eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Bewerben kann man sich meist auf das gesamte Angebot der Uni, lediglich manche NC-Fächer wie Psychologie sind für Gasthörer ausgeschlossen.
"Die gewünschten Veranstaltungen müssen mittels eines Gasthörerantrages bei den Fakultäten beantragt und auf freie Kapazitäten geprüft werden", erklärt Yvonne Weigert von der Universität Leipzig. Die Gasthörerschaft beschränkt sich allerdings auf einzelne Veranstaltungen, einen Abschluss können Senioren so nicht machen. Die Kosten schwanken von Uni zu Uni und können je nach Anzahl der besuchten Kurse zwischen 40 und 300 Euro liegen.
Daneben gibt es auch die Möglichkeit, sich ganz regulär für einen Studiengang zu immatrikulieren. Eine Altersgrenze gibt es auch dafür normalerweise nicht, nur die NC-Fächer sind hier wieder eine Ausnahme. In Bayern bekommen Bewerber ab 55 Jahren für zulassungsbeschränkte Studiengänge nur dann eine Zulassung, wenn für das Studium "schwerwiegende wissenschaftliche oder berufliche Gründe sprechen". Die Regularien unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, manche Universitäten erheben für Studierende ab einem bestimmten Alter auch eine Extra-Gebühr.
Wer sich unter lauter Mittzwanzigern im Hörsaal nicht wirklich wohl fühlt, findet vor allem an den großen Universitäten auch Angebote speziell für Senioren. Die heißen dann Seniorenkolleg, -akademie oder einfach Seniorenstudium und kosten ähnlich viel wie ein Gasthörerstudium. An der Universität Leipzig gibt es etwa die Seniorenakademie: Dazu gehören das Seniorenstudium, das Seniorenkolleg und offene Angebote wie Sprachkurse oder Ringvorlesungen für alle Altersgruppen.
Beim Seniorenkolleg bleibt man unter sich, in zwei parallelen Vortragsreihen können Interessenten ab 50 gemeinsam mit Gleichgesinnten Vorträge aus verschiedenen Wissenschaftsgebieten besuchen. Prüfungen gibt es nicht, die Kosten liegen bei 60 Euro pro Semester. Die Angebote sind gut besucht, weiß die zuständige Sachgebietsleiterin Yvonne Weigert. Es gibt mehr Bewerber als Plätze, etwa 1100 Interessierte melden sich pro Semester. Besonders beliebt sind Lehrveranstaltungen zu Geschichte, Kunstgeschichte, Theologie, Musikwissenschaft, Psychologie oder Politikwissenschaft.
Warum es so viele ältere Menschen noch an die Unis treibt? Viele haben den Drang, etwas nachholen zu wollen, beobachtet Schmitt vom AVDS. "Die hätten in den 50er oder 60er Jahren gerne studiert, damals waren aber die Verhältnisse nicht so." Das berichtet auch Friederike Wittmann: "Wenn es finanziell möglich gewesen wäre, hätte ich es gerne gemacht".
Bernd Werner Schmitt empfiehlt für den Anfang, Vorlesungen zu besuchen. Erstens sind die oft auf eine große Anzahl von Studierenden ausgelegt und damit auch eher für Gasthörer oder Seniorenstudenten geöffnet. Darüber hinaus wird in Seminaren normalerweise Mitarbeit in Form von Vorträgen oder Essays erwartet. Wer das nicht will, solle das vorab am besten mit dem Seminarleiter absprechen, rät Schmitt.