„Letzte Generation“ Klimaaktivisten blockiert weiter: Berlin verhängt Zwangsgeld
Weder Verbote noch das Wetter scheinen die Klimaaktivisten zu stoppen: Sie protestieren immer weiter. Die Gruppe ist gut organisiert, aber ist sie auch eine „kriminelle Vereinigung“?
Berlin/Neuruppin/München - Nach einer Razzia gegen Klimaschutz-Demonstranten der Gruppe „Letzte Generation“ prüft die Staatsanwaltschaft den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Es seien umfangreiche schriftliche Unterlagen und Datenträger beschlagnahmt worden, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin am Mittwoch mit. Die Klimaschützer ließen sich von den Ermittlungen und drohenden Strafen nicht stoppen: In Berlin und München gab es neue Straßenblockaden und Proteste.
So setzten sich in Berlin etwa 20 Menschen nach Polizeiangaben auf drei Kreuzungen und verursachten Staus. In München scheiterten Blockierer nach Angaben der Polizei wegen des nasskalten Wetters mit dem Versuch, sich auf einer Straße festzukleben. Die beiden Protestteilnehmer saßen demnach mit einem Transparent auf der Straße.
Die Gruppe selbst teilte mit, die zwei Aktivisten hätten sich mit Kleister überschüttet aus Protest gegen Regelverschärfungen der Stadt München. Seit Samstag gilt, dass schon der Aufruf zu unangekündigten Klebe-Protesten auf Münchner Straßen bis Anfang Januar strafbar ist. Auch der Protest vom Mittwoch verstößt nach Einschätzung der Polizei gegen das Verbot.
Auch in Berlin gehen Senat und die Polizei jetzt härter gegen die Gruppe vor. Die Polizei droht Mitgliedern, die sich bereits mehrfach auf der Straße festklebten, im Wiederholungsfall ein sogenanntes Zwangsgeld von 2000 Euro an, wie die Zeitung „Die Welt“ berichtete.
Die Regelung gelte seit Ende November. Zwölf Blockierern sei bereits das Zwangsgeld angedroht worden. Einer der Betroffenen habe sich dennoch erneut auf der Straße festgeklebt. Die Polizei habe dann das Zwangsgeld verhängt. Ein Zwangsgeld kann von Behörden angeordnet werden, um bestimmte Verwaltungsakte durchzusetzen. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte der „Welt“, man schöpfe „alle rechtsstaatlichen Mittel aus“.
Schon bisher hatte die Polizei Blockierern Kosten für Einsätze in Rechnung gestellt und dafür 241 Euro verlangt. Die Gruppe „Letzte Generation“ startete Spendensammlungen und erhielt nach ihren Angaben bis Mitte Dezember 410.000 Euro.
Inzwischen werden allein in Berlin von Polizei und Staatsanwaltschaft mehr als 2000 Anzeigen wegen Straßenblockaden und anderen Störungen bearbeitet. Die Polizei leistete mehr als 210.000 Einsatzstunden. Mehrere Innenminister von Bundesländern kündigten Anfang Dezember ein schärferes Vorgehen gegen die Gruppe an.
Seit Anfang 2022 blockiert die „Letzte Generation“ Straßen, um für eine radikale Klimawende zu kämpfen. Hinzu kamen Aktionen in Museen, Stadien, Ministerien, an Flughäfen und an Ölpipelines. Letzteres ist der Hintergrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin: Es geht darum, dass Klimaschützer Ventile an Anlagen der Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburgs zudrehten. Am Dienstag durchsuchte die Polizei daher elf Wohnungen in sieben Bundesländern.
Es bestehe der Verdacht, dass der Zweck der Gruppierung zumindest auch auf die Begehung von Straftaten „hinreichenden Gewichts“ ausgerichtet sei, teilte die Staatsanwaltschaft in Neuruppin mit.
Die Gruppe betonte: „Von Verboten und Gefängnisstrafen lassen sich die Menschen der Letzten Generation nicht abhalten.“ Die Razzia sei ein „Einschüchterungsversuch“ gewesen. Die Regierung versuche, den Protest zu kriminalisieren. Die „Letzte Generation“ fordert aktuell die Rückkehr des 9-Euro-Tickets und Tempo 100 auf Autobahnen.
Zuspruch bekamen sie vom Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan. „Der Klimawandel ist in vollem Gang und wir nähern uns dem „point of no return““, sagte Schirdewan der Deutschen Presse-Agentur. „In dem Kontext finde ich es bizarr, wenn jungen Leuten, die sich auf Straßen festkleben, deshalb die Bildung einer kriminellen Vereinigung unterstellt wird.“ Er finde auch nicht jede Aktion gut, doch seien sie bisher immer gewaltfrei gewesen.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast bezweifelte, dass sich der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestätigen lässt. Der Zweck oder die Tätigkeit der Gruppe müsse dann auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein, sagte Künast im RBB-Inforadio. Tatsächlich zielten die Aktionen aber darauf, Aufmerksamkeit zu bekommen beziehungsweise der Politik konkrete Maßnahmen abzuringen. Sie kritisierte, sowohl die Protestaktionen als auch die Razzia lenkten vom eigentlichen Thema Klimaschutz ab. „Dass wir darüber schon wieder reden müssen, nervt mich eigentlich.“