Strafverfolgung Klimaprotest: Knapp 2000 Verfahren in Berlin
Die Gruppe Letzte Generation fordert mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz. Vor allem mit Blockaden tragen die Klimaaktivisten ihren Protest auf die Straßen. Für Polizei und Justiz eine Herausforderung.
Berlin - Der anhaltende Protest von Klimaaktivisten und -aktivistinnen hat inzwischen zu knapp 2000 Verfahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft geführt. Das teilte eine Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
In rund 1790 Fällen geht es demnach um Aktionen der Klimagruppe Letzte Generation, die restlichen Verfahren richten sich gegen Mitglieder der Organisation Extinction Rebellion. Nach einer Umfrage trifft die Letzte Generation mit ihren Methoden auf wenig Rückhalt in der Bevölkerung.
Mehrheit gegen Aktionen
Drei Viertel der Teilnehmer der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur lehnten den Versuch, mit Aktionen wie Straßenblockaden mehr Klimaschutz durchzusetzen, ab. 60 Prozent gaben an, dies „voll und ganz“ zu tun, 16 Prozent „eher“. Weitere 13 Prozent der Befragten sagten, sie befürworteten die Aktionen „eher“, nur 5 Prozent taten dies „voll und ganz“. Der Rest war unentschieden oder machte keine Angaben.
Die Ablehnung für die Methoden der Gruppe war unter AfD-Anhängern mit 91 Prozent besonders groß und bei Unterstützern der FDP (88 Prozent) und der CDU/CSU (86 Prozent) kaum geringer. Auch unter Grünen-Anhängern stoßen die Aktionen bei einer Mehrheit von 53 Prozent auf Ablehnung. Tendenziell unterstützen jüngere Befragte die Aktionen eher, allerdings tun dies selbst bei den 18- bis 29-Jährigen nur 36 Prozent.
Bislang vor allem Geldstrafen
Bei den Verfahren in Berlin wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft bislang 86 Urteile gesprochen, 40 davon sind rechtskräftig. In der Regel wurden die Klimaaktivisten zu Geldstrafen verurteilt, meist wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. In einem Fall endete der Prozess laut Staatsanwaltschaft mit einem Freispruch. Ende April gab es allerdings erstmals in Berlin eine Haftstrafe für eine Klimaaktivistin - ohne Bewährung. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte eine 24-Jährige aus Bayern wegen einer Klebeaktion in der Berliner Gemäldegalerie zu vier Monaten Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger legte umgehend Rechtsmittel ein.
Die Staatsanwaltschaft beantragt meist eine Ahndung der Taten durch einen Strafbefehl, also ohne mündliche Verhandlung. Bislang sei dies bei Mitgliedern der Letzten Generation in rund 690 Fällen so gewesen, hieß es. Anklagen wurden demnach bislang in 23 Fällen erhoben. Offen sind nach den Angaben derzeit knapp 90 Verfahren. Rund 310 Fälle seien eingestellt worden mit Blick auf weitere Vorwürfe oder weil Beweise nicht ausreichten.
Hunderte Verfahren zu Protestaktionen
Parallel dazu laufen bei der Berliner Polizei Hunderte Verfahren zu den andauernden Protestaktionen der Letzten Generation. Im April hatte die Klimagruppe ihren Protest in der Hauptstadt verstärkt. Allein in der Zeit vom 16. April bis zum 7. Mai hat die Polizei nach Angaben einer Sprecherin 151 Straßenblockaden registriert, acht davon auf Autobahnen. Im Zusammenhang damit wurden demnach bislang 780 Strafverfahren (Zeitraum 19. April bis 10. Mai) eingeleitet.
Die Aktivisten der Letzten Generation verlangen von der Bundesregierung einen Plan zum Erreichen des international angestrebten Ziels, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Die Gruppe fordert zudem einen Gesellschaftsrat, der das Ende der Nutzung von fossilen Brennstoffen in Deutschland bis 2030 planen soll. Außerdem setzt sich die Organisation für ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket ein.