Nord-AfD tief gespalten: Wahl des Vorsitzenden gescheitert
Noch kein neuer Landesvorsitzender, erbitterter Personalstreit - die AfD in Schleswig-Holstein offenbart einen desolaten Zustand. Die Landespartei zeigt sich in Büdelsdorf zerrissen, der Parteitag wird abgebrochen. Die nächste brisante Entscheidung steht am Sonntag an.
Büdelsdorf - Der politische Richtungsstreit und die Personalquerelen bei der AfD in Schleswig-Holstein gehen weiter. Ein Landesparteitag in Büdelsdorf scheiterte am Samstag auch in zwei Stichwahlen beim Versuch, einen neuen Landesvorsitzenden zu wählen. Daraufhin wurde die Veranstaltung am Abend ohne neugewählten Vorstand abgebrochen. Die Führungskrise hält damit an.
Der Verlauf offenbarte eine tiefe Spaltung zwischen dem rechtsnationalen und dem gemäßigten Lager. Die Führungsposition ist seit dem Parteiausschluss der damaligen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte im Jahr 2019 unbesetzt. Offenkundig setzt ein Teil der Partei auf ihre Rückkehr an die Landesparteispitze, was auch der Landtagsabgeordnete und frühere Landesvorsitzende Jörg Nobis ansprach.
Im ersten Wahlgang und in einer Stichwahl verfehlten zunächst am Nachmittag sowohl der pensionierte Richter Gereon Bollmann (68) als auch sein Kontrahent David Jenniches (43) die erforderliche Stimmenzahl. In der Stichwahl bekam Bollmann 89 Stimmen und Jenniches 73. Generell mit Nein votierten 38 Mitglieder, weil sie offenkundig keiner der beiden überzeugt hatte. Bollmann, langjähriger Richter am Oberlandesgericht in Schleswig, wird parteiintern eher der rechtsnationalen Strömung zugeordnet, Jenniches dem gemäßigten Lager.
Der bisherige AfD-Landesvize Joachim Schneider (49) appellierte an den Parteitag, das Lagerdenken aufzugeben und verkündete seine Kandidatur. Schließlich ging es am Abend in einen weiteren Durchgang mit insgesamt vier Bewerbern. Bollmann holte 79 Stimmen, Jenniches 63, und Schneider 46. Das reichte für niemanden. Es ging in die zweite Stichwahl. Auch diese brachte über acht Stunden nach dem regulären Beginn des Parteitags keine Entscheidung. Bollmann lag mit 92 Stimmen vor Jenniches mit 68. 29 Mitglieder lehnten beide ab - es folgte der Abbruch des Parteitags. An diesem nahmen gut 200 der Parteiangaben zufolge nach Verlusten unter 900 Mitglieder teil.
Bollmann hatte als Vorsitzender des AfD-Landesschiedsgerichts 2019 in erster Instanz den von der Bundespartei beschlossenen Parteirauswurf Sayn-Wittgensteins verworfen. Das Bundesschiedsgericht kassierte dann die Entscheidung. Im April dieses Jahres entschied das Landgericht Berlin in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil auf eine Klage Sayn-Wittgensteins, diese sei weiter AfD-Mitglied. Darauf erklärte die Bundespartei, sie sei mit diesem Urteil nicht wieder Mitglied der AfD geworden. Ihr Parteiausschluss bleibe bestehen. Sollte sich das noch ändern, gäbe es auch eine Rückkehrmöglichkeit für Sayn-Wittgenstein in Richtung Landesparteispitze.
Am Sonntag stellt die Nord-AfD ihre Liste zur Bundestagswahl am 26. September auf. Die Partei rechnet damit, dass sie im Parlament erneut mit zwei Abgeordneten vertreten sein wird. Im Raum steht auch eine Kandidatur Sayn-Wittgensteins (66). Der Bundestagsabgeordnete Bruno Hollnagel (73) will ebenso wieder antreten wie der sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Uwe Witt (61), der aus Nordrhein-Westfalen nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt war. Auch Bollmann und weitere Politiker haben Bewerbungen angekündigt.
Die AfD im Landtag hatte mit dem Ausschluss Sayn-Wittgensteins und dem späteren Austritt des Abgeordneten Frank Brodehl ihren Fraktionsstatus verloren. Die jüngsten Umfragen sahen die Partei im Norden knapp ein Jahr vor der Landtagswahl bei etwa sechs Prozent, was für einen Wiedereinzug in das Parlament reichen würde.