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Kriminalität Razzia gegen vietnamesische Schleuserbande

Die Männer brauchen Geld, die Frauen einen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Über das deutsche Vaterschaftsrecht ergeben sich so Möglichkeiten - die nicht legal, aber verbreitet sind.

Von dpa Aktualisiert: 15.09.2021, 23:07
Polizeiautos fahren auf dem Gelände des Dong Xuan Center.
Polizeiautos fahren auf dem Gelände des Dong Xuan Center. Christophe Gateau/dpa

Berlin - Die Schleuserbande soll in großem Stil falsche Vaterschaftsanerkennungen deutscher Männer für Aufenthaltsgenehmigungen vietnamesischer Frauen organisiert haben: Am Dienstagmorgen schlug die Polizei in Berlin mit einer Razzia gegen die vietnamesisch-deutsche Bande zu. Polizisten durchsuchten 13 Wohnungen und Geschäfte, wie die Bundespolizei mitteilte. Der 65-jährige mutmaßliche Kopf der Gruppe wurde gefasst, gegen ihn lag nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Haftbefehl vor.

Es gebe acht deutsche und vietnamesische Hauptverdächtige im Alter zwischen 34 und 64 Jahren und drei weitere Unterstützer.

Die Bundespolizei sprach von rund 80 Fällen eingeschleuster Frauen und Männer, die nachweisbar seien. Bei einem laut Polizei verbreiteten Betrugsmodell erkennen deutsche Männer eine oder auch mehrere Vaterschaften bei schwangeren Vietnamesinnen an. Die Männer bekommen dafür Bargeld, aber eher „geringe Beträge“, etwa im unteren vierstelligen Bereich.

Die angeblichen Väter haben oft kein festes Einkommen und kommen laut Polizei aus dem „Trinkermilieu“, so dass bei ihnen kein Unterhalt eingefordert werden kann. Die Anerkennung der Vaterschaft wird von einem Notar beglaubigt, das Kind erhält nach der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft und die Mutter eine Aufenthaltsberechtigung.

Außerdem gehe es auch um Scheinehen. Die Bande soll mehrere Eheschließungen in Dänemark zwischen Vietnamesen und Deutschen vermittelt haben, um so echte Heiratsurkunden bei der Ausländerbehörde Berlin einreichen zu können. Daraus soll dann ein Bleiberecht für Vietnamesen abgeleitet worden sein.

Die Schleuserbande kassierte bei eingeschleusten Menschen richtig ab: Pro Person sollen die Täter laut Polizei zwischen 10.000 und 20.000 Euro gefordert haben. So sollen sie mindestens 1,57 Millionen Euro eingenommen und einen Gewinn von etwa 700.000 Euro erzielt haben. Ermittelt wird daher auch wegen Steuerhinterziehung.

Der Einsatz von Bundespolizei, Berliner Polizei und dem Finanzamt begann um 6.00 Uhr und dauerte bis weit in den Vormittag. 120 Polizisten waren im dabei. Durchsucht wurden zehn Wohnungen vor allem in Lichtenberg, aber auch in Marzahn-Hellersdorf, Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf, sowie drei Geschäfte in einem großen vietnamesischen Einkaufszentrum in Lichtenberg. Die Polizei beschlagnahmte umfangreiches Beweismaterial, darunter verschiedene Unterlagen, Handys, Computer und etwa 8000 Euro Bargeld. Zudem zog das Finanzamt ein teures Autos ein.

Erst im März hatte die Bundespolizei eine andere deutsch-vietnamesische Schleuserbande gefasst. Die Verdächtigen sollen Vietnamesinnen, die illegal nach Deutschland kamen, zur Prostitution in illegalen Bordellen gezwungen haben, um Schleuserlöhne zu bezahlen. Auch die damaligen Verdächtigen sollen Vaterschaftsanerkennungen und Scheinehen geschlossen haben, um einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte Berlin als „Dreh- und Angelpunkt“ vietnamesischer Menschenhändler in Westeuropa bezeichnet. Von zentraler Bedeutung sei dabei das große Dong Xuan Center mit vielen vietnamesischen Geschäften im Bezirk Lichtenberg.