Messen Windbranche setzt auf Wasserstoff und neue Regierung
Wichtige Impulse für den Ausbau des Ökostroms erwartet die Windkraft-Branche von der künftigen Bundesregierung. Die nächste Legislatur werde entscheidend für das Erreichen der Klimaziele.
Husum - Die Windkraft-Branche fordert von der nächsten Bundesregierung ein Sofortprogramm für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Nach vier Jahren Stillstand biete die kommende Legislaturperiode die letzte Möglichkeit, notwendige Schritte zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 einzuleiten, sagte der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, am Dienstag zum Start der Fachmesse Husum Wind. Deutschland habe zwar das Pariser Klimaabkommen mit dem 1,5 Grad-Ziel beim Temperaturanstieg unterzeichnet, sei aber „auf einem sicheren 3-Grad-Kurs“. Das sei beschämend.
Wichtige Impulse erhofft sich die Branche von der Messe in Schleswig-Holstein. Bis Freitag werden dort nach Angaben der Veranstalter bis zu 10.000 Besucher erwartet. Knapp 390 Aussteller zeigen Erzeugnisse rund um die Windenergie und das Thema grüner Wasserstoff.
Nach zwei schwierigen Jahren sind im ersten Halbjahr wieder deutlich mehr neue Windräder an Land ans Netz gegangen. Nach Branchenangaben wurden 240 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 971 Megawatt installiert. Weil 135 Anlagen mit einer Leistung von 140 Megawatt stillgelegt wurden, lag der sogenannte Netto-Zubau bei 831 Megawatt. „Wir haben den Tiefpunkt durchschritten“, sagte Albers. Bis Ende des Jahres werde in Deutschland ein Zubau der Windkraft von voraussichtlich 2,4 Gigawatt erreicht.
„Wir brauchen aber einen Zubau von fünf Gigawatt Windkraft pro Jahr.“ Albers forderte von Bund und Ländern ein Bekenntnis, in jedem Bundesland zwei Prozent der Landesfläche für Windräder bereitzustellen. Er schlug dafür eine entsprechende Vorgabe im Raumordnungsgesetz auf Bundesebene vor. Derzeit stehe durchschnittlich lediglich ein Prozent für Windkraft bereit.
Mehr Tempo forderten Branchenvertreter vor allem bei der Genehmigung neuer Anlagen. „Genehmigungen sollten nicht mehr sechs Jahre, sondern sechs Monate dauern“, sagte Albers. Ähnlich argumentierte Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems: „Jeder weiß, sonst wird es nicht. Sonst werden Stahlwerke woanders entstehen, sonst werden Chemiefabriken woanders entstehen.“ Bereits heute gibt es aber vor Ort oft Proteste gegen das Aufstellen neuer Windräder. Menschen befürchten eine Verspargelung der Landschaft, fordern größere Abstände zu Wohngebäuden oder sorgen sich um den Artenschutz.
Für Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) braucht der weitere Ausbau Akzeptanz. Ein Großteil der Menschen wolle mehr Klimaschutz. Er verwies auf das Voranschreiten des Klimawandels. „Unsere verbleibende Zeit wird knapper, ihn abzuschwächen.“ In Schleswig-Holstein sind zwei Prozent der Fläche für Windkraft vorgesehen. Rein rechnerisch produziert das Land mit gut 3000 Anlagen (Gesamtleistung gut 6,8 Gigawatt) mehr Strom als es verbraucht. Weitere 1,3 Gigawatt stehen vor der Inbetriebnahme.
Albrecht forderte einen schnelleren Netzausbau und eine fairere Lastenverteilung. „Die Stromkunden in Schleswig-Holstein werden derzeit am meisten belastet. Das kann nicht sein.“ Der Netzausbau nütze allen, verlaufe aber „im Bummelbahntempo“.
Das Land mache aus der Not eine Tugend, sagte Albrecht. „Wenn der Strom nicht weg kann, nutzen wir ihn halt selber - auch, indem wir ihn umwandeln und speichern. Und dazu ist Wasserstoff sehr gut geeignet.“ Große Industrieunternehmen befassten sich mit grünem Wasserstoff, um ihre Produktions-Prozesse zu dekarbonisieren. „Wir entwickeln uns gerade zu einem Standort für klimaneutrale, saubere Industrie auf Wasserstoff-Basis.“ Im großen Maßstab könne das derzeit aber noch niemand.
Partnerland der Windmesse ist dieses Jahr Brandenburg. „Jedes Bundesland hat schon damit zu kämpfen, dass der Ausbau schleppender geht als er sollte“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Deutschland brauche aber mehr statt weniger Strom. Nur ein Verbund der sieben Nordländer gemeinsam könne Impulse für einen schnelleren Ausbau liefern.