Linken-Politiker Jan Korte "Fünf-Prozent-Klausel nicht mehr zeitgemäß"
Jan Korte aus Anhalt-Bitterfeld ist Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag. Mit ihm sprach Steffen Honig.
Volksstimme: Die Linke hat sich bei der Ukraine gegenüber einer Milliardenunterstützung reserviert gezeigt. Vor dem Krim-Referendum läuft alles auf eine Zuspitzung des Konflikts hinaus. Hat die Diplomatie noch eine Chance?
Jan Korte: Sie muss eine Chance haben. Alles andere wäre Wahnsinn. Es muss rhetorisch auf allen Seiten abgerüstet werden. Das gilt auch für die Bundesrepublik, wenn ich höre, was einige von den Grünen rhetorisch an den Tag legen, ist das nicht hilfreich. Ich glaube, dass die Ukraine eine Zukunft hat mit der EU und mit Russland.
Volksstimme: Was halten Sie von Sanktionen?
Korte: Ich glaube, dass das nicht hilft. Es muss geguckt werden, was diplomatisch herauszuholen ist. Ich halte die Politik von Putin für inakzeptabel, aber gleichzeitig gilt es zu schauen, wer in der Ukraine mit in der Regierung sitzt, beziehungsweise wer nicht. Ich unterstütze den Gysi-Vorschlag, dass vielleicht Kofi Annan und Gerhard Schröder vermitteln könnten.
Volksstimme: Für Sie als Innenpolitiker ist der im Raum stehende Edathy-Untersuchungsausschuss besonders wichtig. Was versprechen Sie sich von der Aufklärungsar-beit?
Korte: Der Innenausschuss muss sich zunächst detailliert damit beschäftigen. Wir werden am Mittwoch den BKA-Präsidenten und andere hören. Danach muss weiter entschieden werden, was zu tun ist. Wir müssen herausfinden, wie die Abläufe gewesen sind im BKA und in der Politik. Ich bin dafür, hier besonnen und sachlich vorzugehen.
Volksstimme: Teile der Politik haben auf den Rücktritt des BKA-Chefs Jörg Ziercke gedrängt - vergeblich. Ist der Fall damit erledigt?
Korte: Zunächst möchte ich, bevor man Rücktritte fordert, den BKA-Präsidenten hören. Auch wenn ich finde, dass er eine merkwürdige Rolle spielt.
Volksstimme: Es steht ein weiterer Ausschuss an, der die NSA-Aktivitäten aufklären soll. Wie sind hier die Erfolgsaussichten?
Korte: Der Untersuchungsausschuss wird kommen, beim Auftrag ist noch einiges zu tun. Entscheidend ist, dass man schaut: Was ist geschehen, seitdem Snowden seine Dokumente veröffentlicht hat? Haben die damit befassten zwei Bundesregierungen alles auf den Tisch gelegt? Das Ziel muss sein, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, um so was künftig zu verhindern.
Volksstimme: Eine Schlussfolgerung hätte das No-Spy-Abkommen mit den USA sein können, das ins Reich der Phantasie gerückt ist.
Korte: Das war das Einzige, was von der Bundesregierung gekommen ist. Nach dem jetzigen Stand wird es das nicht geben. Die Regierung steht komplett mit leeren Händen da. Weil sie im Kern ähnlich denkt: Im Zweifel werden Grund- und Freiheitsrechte zugunsten der Terrorismusbekämpfung geopfert.
Volksstimme:Die Diätenerhöhung ist beschlossen. Wie geht Ihre Fraktion mit der Erhöhung um?
Korte: Interessant ist, in welch atemberaubendem Tempo diese Koalition das durchgesetzt hat. Wir haben dagegen gestimmt und werden 100.000 Euro an die SOS-Kinderdörfer spenden, und wir werden die Spendentätigkeit vor Ort auch erhöhen.
Volksstimme: Die Vorbereitung der Gespräche zwischen SPD und Linken kommt voran - wer redet da mit wem worüber?
Korte: Wichtig ist, dass man redet und dass man reden will. Ich bin selbst in einer rot-rot-grünen Runde. Ich halte diese Gespräche für ganz entscheidend, um Vertrauen zueinander zu entwickeln. Ich hoffe auf solche Gespräche auch auf der Spitzenebene.
Volksstimme: Aus der Linkspartei gibt es Stimmen, die Auslandseinsätze nicht mehr grundsätzlich ablehnen. Das wird bei der SPD sicher als Entgegenkommen gewertet.
Korte: Wir sollten unsere Debatten nicht wegen anderer Parteien führen. Die Linke ist die Antikriegspartei. Gleichwohl muss man sich jeden Einzelfall sorgfältig ansehen. Ich finde gut, dass es diese Debatte bei uns gibt.
Volksstimme: Bei Europawahl ist die Fünf-Prozent-Klausel weg, nun fordert ihr Parteichef das auch für den Bundestag - freie Fahrt für Splittergruppen?
Korte: Die Fünf-Prozent-Klausel ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn obskuren Parteien durch die Abschaffung der Einzug ins Parlament gelingt, muss man sich damit politisch auseinandersetzen.