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Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Frankfurter Flughafen hat Signalwirkung für ganz Deutschland Grundsatzurteil: Wird heute ein absolutes Nachtflugverbot verkündet?

04.04.2012, 03:14

Seit fünf Monaten ist es nachts ruhig über dem Rhein-Main-Gebiet: Auf dem größten deutschen Flughafen in Frankfurt starten und landen nur in Ausnahmefällen Maschinen zwischen 23 und fünf Uhr. Doch das von Anwohnern so heiß ersehnte und von der Luftverkehrswirtschaft so heftig kritisierte Nachtflugverbot - verfügt durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof - steht unter dem Vorbehalt der höchsten deutschen Verwaltungsrichter.

Heute spricht das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dazu ein Grundsatzurteil. Wie die mündliche Verhandlung zeigte, wäre alles andere als eine Bestätigung der sechsstündigen Ruhezeit über dem dicht besiedelten Ballungsraum eine Überraschung.

Die Richter betonten bei der mündlichen Verhandlung im März, dass auch ein international führender Flughafen wie in Frankfurt Beschränkungen wegen des Lärms akzeptieren müsse - vor allem nachts. Damit wäre der Planfeststellungsbeschluss des Landes Hessen von 2007 zum Bau der neuen Nordwest-Landebahn letztinstanzlich fehlerhaft: Unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wurde damals festgeschrieben, dass entgegen der Vereinbarung eines vorherigen Mediations-Kompromisses in der Region im Schnitt 17 Flüge pro Nacht zwischen 23 und fünf Uhr nötig seien.

Der Beschluss und spätere Entscheidungen, diese Auffassung bis vor dem Bundesverwaltungsgericht zu verfechten, um Rechtssicherheit zu schaffen, hat einen Sturm der Entrüstung im Rhein-Main-Gebiet entfacht: Von Wortbruch und Vertrauensverlust in die Politik ist seitdem die Rede. Seit Herbst 2011 demonstrieren zudem Tausende Fluglärm-Gegner an nahezu jedem Montagabend im Frankfurter Flughafen für ein absolutes Nachflugverbot.

Mit Spannung wird auch erwartet, welche Vorgaben die Leipziger Richter für die zwei Nachtrandstunden (22 bis 23 Uhr, 5 bis 6 Uhr) machen: In der Verhandlung ließ das Gericht durchblicken, dass die vorgesehenen durchschnittlich 133 Flüge in diesen 120 Minuten zu viele seien. Zudem ist möglicherweise dafür zu sorgen, dass nicht kurz vor und nach dem absoluten Nachtflugverbot sehr viele Maschinen starten und landen.

Während sich bei den Nachtflügen eine Niederlage für die hessische CDU/FDP-Politik der vergangenen Jahre anbahnt, wird die Landesregierung wohl einen Erfolg verbuchen: Kein Zweifel besteht nach Auffassung von Beobachtern, dass die Richter den Flughafen-Ausbau letztinstanzlich genehmigen werden. Damit wäre die weitestgehende Forderung der Anrainer-Kommunen und Fluglärmgegner, die neue Landebahn zu schließen, wohl vom Tisch.

Außerdem stünde nach der grundsätzlichen Genehmigung des Ausbaus der geplanten Steigerung der Flugbewegungen von derzeit knapp 500000 pro Jahr auf 700000 nach dem Jahr 2020 nichts mehr im Weg, auch wenn mehr Flüge wohl weitere Proteste nach sich ziehen.

Nach der Entscheidung der Leipziger Richter steht neue Arbeit für die Landespolitik an: Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) kündigte nach dem Anschwellen der Proteste gegen den Fluglärm an, so schnell wie möglich ein Nachtflugverbot rechtlich umzusetzen, wenn dies die Leipziger Richter zulassen. Die Landesregierung wird demnach ein Planergänzungsverfahren anstreben, in dem keine Nachtflüge vorgesehen sind und wohl neue Vorgaben zu den Nachtrandstunden gemacht werden.

Dabei wird sich das Land auf das Leipziger Grundsatzurteil berufen: Die Bundesrichter müssen schließlich die Balance finden zwischen den Interessen einer Exportnation, möglichst freizügig Waren und Menschen zu befördern, und den Belastungen für die Flughafen-Anwohner. (epd)