Reformer in der Linkspartei legen eigenen Leitantrag für Parteitag vor - auch der frühere Partei-Chef Bisky unter den Unterzeichnern Korte: "Brauchen offenen Wettbewerb um richtigen Weg der Linken"
Respektvoll sei es beim Spitzentreffen der Linken Anfang der Woche zugegangen, heißt es aus Parteikreisen. Doch in der Sache gab es keine Bewegung: Oskar Lafontaine will Parteivorsitzender werden - aber Dietmar Bartsch will das auch. Ein Patt und heftiger Streit um Führung und Kurs der Partei sind die Folge.
Dabei hat der im Osten beheimatete Reformflügel kräftig nachgelegt. In einem eigenen Leitantrag an den Parteitag Anfang Juni wird die Misere der Linken in aller Schärfe benannt: Die Gräben zwischen den "Quellparteien" PDS und WASG, zwischen Ost und West seien nicht überbrückt, sondern tiefer geworden, heißt es darin. Der Niedergang der Linken in Westdeutschland gipfelte in den Desastern in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Seit der Bundestagswahl 2009 habe sich die Zustimmung für die Linke halbiert. Dazu heißt es in dem Reformer-Papier, zu dessen Initiatoren Jan Korte, Linken-Bundestagsabgeordneter aus Anhalt-Bitterfeld, gehört: "Es sind aufkeimende Dogmatismen, die unserer Streitkultur, unserer Solidarität untereinander und unserer Offenheit nach außen wie nach innen geschadet haben."
Das soll sich ändern: "Der Parteitag muss ein Erfolg werden", erklärt Korte der Volksstimme gegenüber beschwörend. "Wir brauchen einen offenen und solidarischen Wettbewerb um den richtigen Weg der Linken." Strategische Ansätze des Reformflügels listet der Leitantrag auf. Von einer notwendigen "Kulturrevolution" ist da die Rede, "die alte und neue Dogmen hinwegfegt."
Es folgt ein Abstecher in die europäische Politik: Die Franzosen hätten vorgelegt und Sarkozy aus dem Élysée gewählt, nun müsse der zweite Teil von "Merkozy" in Rente geschickt werden. "Wir wollen Merkel Co. spätestens 2013 abwählen." Erreicht werden soll das durch "Mitgliederentscheide, mehr Konferenzen, Anhörungen und offene Debatten." Der Verweis auf den Machtwechsel in Frankreich kommt nicht von ungefähr: Der Reformflügel der Linken will die Partei wesentlich sozialdemokratischer - sprich koalitionsfähiger - machen, als dies unter dem EX-SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine je möglich wäre.
Zu den bisherigen rund 200 Unterzeichnern zählten, so Korte, prominente Linkenverbände und -politiker aus dem Osten, darunter Bodo Ramelow, Petra Pau, Kerstin Kaiser - und auch Lothar Bisky, 2007 neben Lafontaine Gründungsvorsitzender der Linkspartei. "Bisky ist jetzt Mitglied der Reformerströmung", freut sich Korte. "Der Antrag ist insgesamt eine klare Ansage von maßgeblichen Leuten aus Ostdeutschland", sagt Korte.
Und damit auch ein Manifest der Unterstützer von Dietmar Bartsch als einem von zwei neu zu wählenden Parteivorsitzenden. Zu dessen Mannschaft soll Sachsen-Anhalts Landeschef als Bundesgeschäftsführer gehören.
Wer allerdings den laut Linkspartei-Reglement geforderten weiblichen Part als Chefin an der Seite von Bartsch oder Lafontaine spielen wird, ist weiter offen. Korte appelliert: "Es ist an der Zeit, dass sich diejenigen melden, die kandidieren wollen." Den von Vize-Parteichefin Katja Kipping skizzierten "dritten Weg", nämlich einen anderen Vorsitzenden als Lafontaine oder Bartsch zu finden, hält Korte für wenig chancenreich.
Auch ein paar Genossen aus Bayern haben den Leitantrag der Parteireformer unterschrieben. Das ist insofern pikant, als der jetzige Parteichef, der Bayer Klaus Ernst, davon gar nichts hält. Er hat sich in dieser Woche klar zu Oskar Lafontaine bekannt.
Ernst selbst brauchte wohl auch gar nicht erst anzutreten. Zu tief sitzt der Frust über den Porsche fahrenden früheren Gewerkschafter gerade bei den Linken im Osten. Nachdem Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch sich schon vor Wochen aus dem Amt zurückgezogen hatte, wird er nun ganz persönlich für die Talfahrt der Linkspartei verantwortlich gemacht.
So hat Ernst maßgeblich den von Ost-Verbänden geforderten Mitgliederentscheid zur Vorsitzenden-Frage verhindert. Parlamentarier Korte: "Die Bundesschiedskommission hat festgestellt, dass dies satzungswidrig war."