Sondergipfel in Brüssel Auf sich gestellt: Spaltet Trumps Politik jetzt auch die EU?
Die Außenpolitik von Donald Trump sorgt bei Europäern für Entsetzen. Nun wird bei einem Krisengipfel über Konsequenzen beraten. Es geht um Milliardenbeträge, Waffen und die Stachelschwein-Strategie.

Brüssel/Berlin - Spaltet die Politik von US-Präsident Donald Trump auch die Europäische Union? Oder gelingt es dem Staatenverbund, ihm vereint und wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen? Diese Fragen stellen sich nach den Entwicklungen in den vergangenen Tagen dringlicher denn je. Bei einem Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs der EU könnte es heute erste Antworten geben.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht sich auf den Weg nach Brüssel. Für Deutschland nimmt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil, es dürfte einer seiner letzten EU-Gipfel sein. Worum es geht im Überblick:
Was ist die Ausgangslage?
Trump und sein Team machen seit Wochen klipp und klar deutlich, dass sie Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges erzwingen wollen - koste es, was es wolle. Konkret sieht das bislang so aus, dass Trump etwa den Präsidenten der angegriffene Ukraine einen Diktator nannte und die US-Militärhilfe für die Ukraine stoppen ließ. Zudem muss die Ukraine aus Trumps Sicht in Verhandlungen mit Russland starke Zugeständnisse machen.
Die Europäer sind bei all den Gesprächen bislang außen vor. Auch ob sie einen Platz am Verhandlungstisch bei möglichen Friedensgesprächen bekommen, ist weiter unklar. Sie sollen nach Trumps Willen aber die Verantwortung für die Absicherung eines möglichen Friedensdeals tragen und in Zukunft auch allein für die konventionelle Abschreckung in Europa zuständig sein.
Was bedeutet das für die EU?
Die Europäer müssen aufrüsten - und das massiv und schnell. Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens 2030 militärisch in der Lage sein dürfte, einen weiteren Krieg zu beginnen. Davon abgeschreckt werden kann es möglicherweise nur, wenn die EU-Staaten bis dahin ihre militärischen Fähigkeiten erheblich ausbauen. Derzeit sind viele Streitkräfte in einem eher schlechten Zustand, weil in den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges Verteidigungsausgaben drastisch heruntergefahren wurden.
Die EU-Staaten sind sich weitestgehend einig darüber, dass die Verteidigungsausgaben deutlich erhöht werden müssen. Für viele Regierungen stellt sich allerdings die Frage, woher das Geld dafür kommen soll - zumal der zusätzliche Investitionsbedarf von der EU-Kommission zuletzt auf eine hohe dreistellige Milliardensumme Euro geschätzt wurde und Länder wie Frankreich und Italien bereits jetzt hoch verschuldet sind.
Gibt es einen Plan?
Die für Vorschläge und Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission hat einen Plan mit dem Namen „ReArm Europe“ (etwa: Europa wieder aufrüsten) erstellt und hofft, dass er beim EU-Gipfel die notwendige Zustimmung bekommt. Mit mehreren Maßnahmen könnten insgesamt fast 800 Milliarden Euro mobilisiert werden, hofft Präsidentin Ursula von der Leyen.
So soll es nach Willen der Behörde unter anderem ein EU-Darlehen in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro - etwa für die Anschaffung von Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesystemen und Drohnen - geben. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll zudem ihre Regeln für die Kreditvergabe so ändern, dass auch reine Rüstungsprojekte gefördert werden können.
Weiter schlägt die Kommission vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten bei Verteidigungsausgaben eine Sonderregel zu den EU-Schuldenregeln für einen Zeitraum von vier Jahren nutzen können. Damit könnten sie dann für die Aufrüstung neue Kredite aufnehmen, ohne ein EU-Defizitverfahren zu riskieren.
Wie ist Deutschlands Position dazu?
Deutschland will bei den Schuldenregeln eine andere Lösung. Wie aus EU-Diplomatenkreisen zu hören ist, brachte der Ständige Vertreter der Bundesregierung bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Mittwoch eine längerfristige Lösung statt einer temporären Ausnahmeregel für Rüstungsinvestitionen ins Spiel. Ein Sprecher der Bundesregierung wollte sich dazu nicht äußern.
Bundeskanzler Scholz hatte sich Mitte Februar für eine gezielte Änderung der derzeitigen EU-Schuldenregeln ausgesprochen, um in einem klar begrenzten Rahmen höhere Investitionen in Verteidigungsgüter zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen könnte demnach klarere Verhältnisse schaffen, als das über die Sonderregel - die sogenannte Ausweichklausel - der Fall wäre.
Was bringt Kanzler Scholz mit nach Brüssel?
Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, auf die sich Union und SPD am Dienstag in ihren Sondierungsverhandlungen geeinigt haben. Deutschland zeigt damit Handlungsfähigkeit auch in der Übergangsphase zwischen zwei Regierungen. Das ist auch bitter nötig. Bei den diplomatischen Bemühungen um Frieden in der Ukraine ist Deutschland bereits an den Rand gedrängt worden. An einem europäischen Friedensplan arbeiten nun Großbritannien und Frankreich federführend mit der Ukraine.
Welche Schwierigkeiten gibt es?
Der EU bleibt derzeit nicht viel anderes übrig, als die Ukraine in ihrer schwierigen Lage so gut wie möglich zu unterstützen und US-Präsident Trump immer wieder darauf hinzuweisen, welche Folgen ein schlechter Deal zur Beendigung des Krieges auch für ihn selbst und sein Land haben könnte. Schwierig ist dabei, dass weitreichende EU-Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen und insbesondere mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ein Politiker mitentscheidet, der ganz auf der Linie Trumps ist.
Orban hat für den Gipfel bereits eine Blockade von Unterstützungsentscheidungen für die Ukraine angekündigt. Auch sein slowakischer Amtskollege Robert Fico signalisierte Widerstand gegen eine gemeinsame Gipfelerklärung zugunsten der Ukraine. Beide befürworten Trumps Kurs im Ukraine-Konflikt und pflegen enge Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin.
Könnte es dennoch weitere Unterstützung aus der EU geben?
Geplant werden unter anderem weitere Zusagen für Militärhilfen, die im Fall eines Vetos von Ungarn auch auf freiwilliger Basis gegeben werden könnten. Zunächst einmal geht es darum, dass die Ukraine nicht in einer Position der Schwäche in mögliche Gespräche mit Russland gehen muss - und auch für die Situation gewappnet ist, dass Putin eigentlich gar nicht verhandeln will.
Zudem wird in der EU darüber beraten, wie Russland nach einem möglichen Waffenstillstand davon abgehalten werden könnte, die Ukraine erneut anzugreifen. Neben der vor allem von Frankreich und Großbritannien erwogenen internationalen Truppenpräsenz ist dabei insbesondere die sogenannte Stachelschwein-Strategie (Porcupine Strategy) im Gespräch. Sie würde zum Beispiel bedeuten, der Ukraine Waffensysteme zu liefern, mit denen sie im Fall einer erneuten russischen Aggression deutlich stärker zurückschlagen könnte als bislang. Dazu könnten auch deutsche Taurus-Marschflugkörper zählen, die Bundeskanzler Scholz der Ukraine bislang immer verweigerte.