Interview "Aus Afghanistan nichts gelernt"
Linken-Politiker Jan Korte aus Anhalt befürchtet durch Syrien-Einsatz die Stärkung der Terroristen.
Magdeburg l Beim Militäreinsatz in Syrien und der Flüchtlingfrage kritisiert Jan Korte, Vize-Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linken, die Berliner Regierung scharf. Mit ihm sprach Steffen Honig.
Volksstimme: Den geplanten Syrien-Einsatz der Bundeswehr lehnt die Linke rundweg ab. Warum?
Jan Korte: Ja, wir lehnen das komplett ab. Diese Bundesregierung hat aus dem Debakel in Afghanistan nichts gelernt. Dieser Krieg ist angeblich gegen den Terrorismus geführt worden. Doch der Terrorismus ist seither nur eins geworden – stärker.
Es könnte mit der Assad-Armee kooperiert werden. Wie sehen Sie diese Kehrtwende?
Das ist der nächste Schritt, um uns immer tiefer in diesen Bürgerkrieg hineinzubegeben. Das ist mit uns nicht zu machen. Dagegen werden wir Proteste organisieren. Jede Bombe, die dort fallen und Unschuldige treffen wird, bringt den Terroristen neuen Zulauf.
Nun wird sich der IS nicht von allein in Luft auflösen. Was ist Ihre Alternative?
Der IS ist eine reale Bedrohung. Stark geworden ist er durch den Irak-Krieg der Koalition der Willigen unter Führung der USA. Das zeigt, dass man Konflikte und Terror so nicht eindämmen wird. Das Richtige wäre, die Finanzströme an den IS zu kappen, ihm die Möglichkeit zu nehmen, Öl zu verkaufen. Und Druck auf die Türkei auszuüben, dass dort die Grenzen für die ausländischen Kämpfer des IS geschlossen werden. Aber nicht, was wir seit 9/11 gemacht haben – nämlich in den Krieg zu ziehen.
Druck auf die Türkei wird durch die Europäer gerade ausgeübt – sie soll gegen viel Geld die Grenzen schließen, um Europa die Flüchtlinge vom Hals zu halten.
Da ist kein Druck, sondern ein mehr als fragwürdiger Deal. Die schweren Menschenrechtsverletzungen in der Türkei werden einfach hingenommen. Dort werden Oppositionelle ermordet, die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten, die Kurden, die gegen den IS kämpfen, werden bombardiert. Das stillschweigend zu akzeptieren, kann nicht der richtige Weg sein.
Was ist der richtige Weg?
Endlich einen Aktionsplan der Bundesregierung aufzulegen, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Stattdessen werden weiter Kriegswaffen nach Saudi-Arabien und Katar geliefert. Damit muss Schluss sein. Zudem müsste es Geld für Flüchtlingscamps im Libanon, in Jordanien, im Nordirak und auch in der Türkei geben, damit die Menschen dort ansatzweise vernünftig versorgt werden können.
Das soll ja mit dem EU-Geld zumindest in der Türkei geschehen.
In erster Linie soll die Türkei zum Bollwerk gegen Flüchtlinge werden. Ob und wie das Geld den Flüchtlingen dort wirklich zugutekommt, ist noch vollkommen ungeklärt.
In Deutschland werden die Asylgesetze verschärft, die CDU will eine Integrationspflicht für Flüchtlinge einführen. Was halten Sie davon?
Eine Integrationspflicht – was soll das bitteschön sein? Das ist doch lächerlich. Im gleichen Atemzug will die Koalition sich Sprachkurse von den Flüchtlingen bezahlen lassen. Zuerst mal sollte die Bundesregierung ihre Hausaufgaben machen. Die Regierung organisiert ein schlimmes Chaos. Ist nun das Kanzleramt mit Herrn Altmaier zuständig, ist es Herr de Maizière? Unsere Kommunalpolitiker sagen ganz klar: Wir kriegen das schon hin. Aber sie sind auf vernünftige Prognosen und Unterstützung des Bundes angewiesen.
In den Massenunterkünften der Flüchtlinge kommt es zu Gewalt. Wie soll das weitergehen?
Das Entscheidende ist eine menschenwürdige Unterbringung. Es geht um Menschen, die gerade der Hölle des Terrors entflohen sind. Deswegen müssen dezentrale Unterbringung und Integration vom ersten Tag an oberste Priorität haben.
Wie wollen Sie das machen? Das geht doch nicht bei diesem Flüchtlingsandrang.
Wenn Menschen, die so etwas durchhaben, auf geballtem Raum leben, gibt es logischerweise Konflikte. Deswegen ist die Beschleunigung der Asylverfahren entscheidend. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist vom Innenminister viel zu lange allein gelassen worden. Damit die Integration vor Ort funktionieren kann, muss man das Chaos auf Bundesebene endlich beenden. Mein Dank geht an die Hundertausenden von Helfern, die unermüdlich vor Ort das tun, was der Staat nicht richtig hinbekommt.
Debattiert werden Obergrenzen und Kontingente. Könnte sich die Linke mit Flüchtlingskontingenten anfreunden?
Ob Kontingente oder Obergrenzen – es kommt beispielsweise eine Familie aus Syrien bei einer Obergrenze von sagen wir mal 800 000. Davon ist einer der 800 001. Schickt man sie dann zurück in den Bürgerkrieg? Das kann nicht richtig sein. Obergrenzen kann es nach dem Grundgesetz nicht geben. Wir müssen viel mehr tun, damit die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive bekommen. Dazu muss es als Erstes endlich Frieden in Syrien geben – mit Hilfe aller diplomatischen Mittel, die möglich sind.