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Nach Urteil Bundesregierung will beim Klimaschutz zügig nachlegen

Eine Ohrfeige für die Politik: so wurde das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vielen gewertet. Die Koalition will nun reagieren. Aber können sich CDU, CSU und SPD zur Wahl noch zusammenraufen?

Von dpa 30.04.2021, 15:16
Ein Bagger gräbt am Tagebau Garzweiler, im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Niederaußem - und Windräder. Viel Zeit für ein neues Klimaschutzgesetz bleibt nicht. Die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der Wahl im September ist Ende Juni.
Ein Bagger gräbt am Tagebau Garzweiler, im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Niederaußem - und Windräder. Viel Zeit für ein neues Klimaschutzgesetz bleibt nicht. Die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der Wahl im September ist Ende Juni. Oliver Berg/dpa

Berlin

Die Bundesregierung will beim Klimaschutz nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zügig nachlegen.

Sie strebt noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des Klimaschutzgesetzes an. Dabei sollen über das Jahr 2030 hinaus verbindliche Mengen zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen für einzelne Bereiche wie die Industrie oder den Verkehr festgelegt werden, die dann Jahr für Jahr sinken - auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität bis 2050.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin, die Bundesregierung werde alles daran setzen, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzesvorschlag zu machen. Kernforderungen des Gerichts sollten umgesetzt werden. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor erklärt: „Ich habe mit der Bundeskanzlerin vereinbart, dass das neue Klimaschutzgesetz in dieser Legislaturperiode kommt.“

Viel Zeit für ein neues Klimaschutzgesetz bleibt aber nicht. Die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der Wahl im September ist Ende Juni.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber in einem wegweisenden Urteil dazu verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Verfassungsbeschwerden mehrerer Klimaschützer waren zum Teil erfolgreich.

Im Kern bedeutet das Urteil, dass auf dem Weg zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 einschneidende Schritte zur Senkung von Emissionen nicht zu Lasten der jungen Generation auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Die Richter betonten auch das Pariser Klimaabkommen. Die Staaten der Erde hatten sich Ende 2015 in Paris darauf geeinigt, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen sowie alles daran zu setzen, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen.

Das deutsche Klimaschutzgesetz legt bisher für die Jahre bis 2030 für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude fest, wie viel Treibhausgase sie in welchem Jahr ausstoßen dürfen. Die Mengen sinken von Jahr zu Jahr.

Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz erklärte, er wolle zusammen mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zügig einen Vorschlag für mehr Klimaschutz vorlegen. „Damit schützen wir unsere Lebensgrundlagen und schaffen Planungssicherheit für die Unternehmen. Ich habe immer gesagt: Klimaschutz ist die wichtigste Aufgabe unserer Zeit. Bremser und Blockierer haben nichts mehr zu sagen, es geht jetzt ums Handeln.“

Der Vorwurf des Bremsers zielt auf die Union und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die SPD wirft Altmaier vor, 2019 bei den Verhandlungen zum Klimaschutzgesetz Jahresemissionsmengen auch nach 2030 verhindert zu haben.

Altmaier wiederum hatte auf einen Vorschlag vom vergangenen September verwiesen. Er hatte angeregt, eine Charta zu beschließen, die bis zur angestrebten Klimaneutralität 2050 jährliche Treibhausgas-Minderungsziele, also Budgets, festlegt.

Der Wirtschaftsminister wies auf das enge Zeitfenster für eine Anpassung des Klimaschutzgesetzes hin. „Aber wenn es gelänge, in den nächsten zwei, maximal drei Wochen zu einer Einigung zu kommen, die im Parlament breit getragen wird, dann hielte ich ein solches Vorhaben für aussichtsreich“, sagte Altmaier am Freitag im Deutschlandfunk. „Ich sehe ein schmales Fenster der Gelegenheit, dass wir es schaffen können.“

Umwelt- sowie Wirtschaftsverbände forderten die Regierung zum Handeln auf. Die Hauptgeschäftsführerin des Energieverbandes BDEW, Kerstin Andreae, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die aktuelle Bundesregierung hat in Hinblick auf Energie- und Klimapolitik noch eine Reihe von Vorhaben vor sich, die keinen Aufschub dulden und noch vor der Bundestagswahl angegangen werden müssen“. Dazu gehöre zwingend ein verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energien.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte der dpa, die Politik könne sofort Maßnahmen ergreifen für mehr Klimaschutz. So könne ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 30 in der Stadt bis 2034 rund 100 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Resch bekräftigte zudem die Forderung nach einem Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2025. Die Umwelthilfe sprach sich außerdem dafür aus, den spätestens 2038 geplantem Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.

Die Umwelthilfe hatte Klimaklagen vor dem Bundesverfassungsgericht unterstützt. Resch sagte, er sehe nun gute Chancen auf einen Erfolg weiterer Klagen. Die Umwelthilfe kündigte außerdem an, wenn die Regierung nicht sofort effektive CO2-Einsparmaßnahmen umsetze, werde sie das vor Gericht erzwingen.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, er erwarte jetzt von der Regierung und insbesondere von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dass beim Klimaschutz bis zum Sommer nachgelegt werde - und zwar nicht nur für die Zeit ab 2030, sondern auch für die nächsten Jahre: „Wir brauchen endlich eine Kfz-Steuerreform, die dem Elektroauto zum Durchbruch verhilft.“ Auch die Verlagerung des Gütertransportes auf die Schiene müsse endlich angepackt werden.