Cum-ex-Skandal in Deutschland Cum-ex-Chefermittlerin wirft hin
Die Ermittlerin wurde mehrfach vorgeführt.
Mit ihrem Rücktritt bringt Deutschlands wichtigste wie unnachgiebigste Cum-ex-Ermittlerin die Bundespolitik, aber auch die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen und Hamburg in die Bredouille.
Nach Informationen von „WDR Investigativ“ hat Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker gestern bei der Kölner Generalstaatsanwaltschaft eine „Bitte um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis“ eingereicht. Die 50-jährige Ermittlerin leitete bislang die deutschlandweit einzige Hauptabteilung für Cum-ex-Ermittlungen, die bei der Staatsanwaltschaft Köln eigens dafür aufgebaut wurde. Sie und ihre Kollegen ermitteln derzeit gegen mehr als 1.700 Beschuldigte. Rund zwölf Milliarden Euro sollen Cum-ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben. Banker, Berater und Aktienhändler hatten sich Steuern erstatten lassen, die nie jemand gezahlt hatte. Der Cum-ex-Betrug gilt als größter Steuerskandal Deutschlands.
„Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird“, sagte Brorhilker in einem Interview mit dem WDR.
Die Politik, so Brorhilkers Befund, habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-ex-Nachfolgemodelle, wie bei einem „Hase-und-Igel-Spiel“.
Brorhilker war möglicherweise mehrfach bei ihren Ermittlungen des Cum-ex-Steuerbetrugs worden. So hatte der WDR im März 2021 berichtet, dass eine von Brorhilker bei der Warburg-Bank beantragte Durchsuchung wegen des Verdachts des Cum-ex-Betrugs vom eigenen Haus wieder abgesagt wurde. Die Leitung sprach seinerzeit von einem „Kommunikationsproblem“. 2020 setzte sie gegen den Willen des Generalstaatsanwalts eine Durchsuchung beim Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs im CDU-geführten NRW-Justizministerium durch.
Im Herbst 2023 hatte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) versucht, tiefgreifende Veränderungen bei der Staatsanwaltschaft Köln durchzusetzen, die als Entmachtung Brorhilkers verstanden worden waren. Limbach hatte argumentiert, es gehe nicht darum, sondern um eine Entlastung und Beschleunigung, damit die zahlreichen noch anhängigen Verfahren nicht verjähren. Der Minister gab sein Vorhaben nach Kritik wieder auf.
Brorhilker kündigte an, sich künftig als Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation „Finanzwende“ in Berlin für neue Ideen im Kampf gegen Finanzkriminalität engagieren zu wollen.