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Fragiler Neuanfang in Syrien Faeser bricht Reise nach Damaskus wegen Terrorwarnung ab

Gemeinsam mit Österreichs Innenminister wollte Nancy Faeser nach Damaskus fliegen. Daraus wird nichts. Nach Hinweisen auf eine konkrete Bedrohung für westliche Delegationen endet ihre Reise in Amman.

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa 27.03.2025, 06:00
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr österreichischer Amtskollege, Gerhard Karner, entschieden sich nach der Absage ihrer Reise nach Syrien, in Jordanien das Flüchtlingslager Saatari zu besuchen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr österreichischer Amtskollege, Gerhard Karner, entschieden sich nach der Absage ihrer Reise nach Syrien, in Jordanien das Flüchtlingslager Saatari zu besuchen. Bernd von Jutrczenka/dpa

Amman - Nach konkreten Hinweisen auf einen möglicherweise geplanten Anschlag haben die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr österreichischer Amtskollege, Gerhard Karner, eine geplante Reise nach Syrien kurzfristig abgebrochen. „Wegen einer doch sehr dringenden Terrorgefahr haben wir sorgsam abgewogen, was es für die Sicherheit derer auch bedeutet, die uns begleiten, und sind zu der Abwägung gekommen, dass wir die Reise besser absagen“, sagte Faeser in Amman. Anschließend brach ihre Delegation auf, um das 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernte jordanische Flüchtlingslager Saatari für Menschen aus Syrien zu besuchen.

Ein Flugzeug der Luftwaffe hätte die geschäftsführende Ministerin und ihre Delegation am Morgen von Jordanien aus nach Damaskus bringen sollen. Die Reise soll laut Faeser nachgeholt werden. Einen neuen Termin gibt es bislang nicht.

„Wegen konkreter Warnhinweise der deutschen Sicherheitsbehörden auf eine terroristische Bedrohung hat Bundesinnenministerin Faeser eine für heute Vormittag geplante Reise in die syrische Hauptstadt Damaskus vor dem Abflug aus der jordanischen Hauptstadt Amman abgebrochen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Faeser habe die Entscheidung gemeinsam mit Karner getroffen. 

Nachdem der erste Hinweis am späten Mittwochabend gekommen war, berieten die beiden Minister und ihre Sicherheitsberater bis zum frühen Morgen in Amman, wo sie am Mittwoch mit jordanischen Regierungsvertretern über Rückkehrmöglichkeiten für syrische Flüchtlinge gesprochen hatten. Schließlich entschied man sich nach Abgleich von Einschätzungen der Sicherheitsbehörden verschiedener Staaten für die Absage. 

Bedrohung für Delegation nicht verantwortbar

„Die mögliche Bedrohung für die Delegation sowie die eingesetzten Sicherheitskräfte war nicht verantwortbar“, sagte der Sprecher. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sich die Gefährdung auf die deutsche und österreichische Delegation bezog. 

Die Reise war unter hohen Sicherheitsvorkehrungen geplant und öffentlich nicht angekündigt worden. Vorgesehen waren Gespräche mit zwei Ministern der Übergangsregierung sowie Vertretern von Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen. 

Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste haben sowohl Anhänger der alten Garde von Ex-Präsident Baschar al Assad und ihre iranischen Verbündeten Interesse an einem Scheitern der Übergangsregierung als auch sunnitische Islamisten, denen die Öffnung der neuen Machthaber gegenüber westlichen Regierungen nicht gefällt.

Sicherheitslage in Syrien weiter fragil

Im Mittelpunkt des Besuchs von Faeser und Karner in Damaskus sollten Sicherheitsfragen stehen sowie Perspektiven für eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge. „Insbesondere arbeiten Deutschland und Österreich intensiv daran, dass schwere Straftäter und Gefährder mit syrischer Staatsangehörigkeit schnellstmöglich wieder nach Syrien zurückgeführt werden können“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Diese Fragen sollten zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit der Übergangsregierung erörtert werden. „Auch dieser Vorfall zeigt allerdings, dass die Sicherheitslage in Syrien weiter fragil ist“, sagte der Sprecher.

Aktuell trifft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wegen der instabilen Lage keine Entscheidungen zu Asylanträgen von Menschen aus Syrien. Ende Februar waren rund 53.000 Asylverfahren mit Bezug zu Syrien beim Bamf anhängig. Zwischen 2015 und 2023 wurden nach Auskunft des Bundesinnenministeriums 163.170 syrische Staatsangehörige in Deutschland eingebürgert.

Deutschland hofft auf Fortschritte in Syrien

Vergangene Woche hatte Außenministerin Annalena Baerbock in Damaskus die deutsche Botschaft wiedereröffnet, die seit 2012 aus Sicherheitsgründen geschlossen gewesen war. Konsequenzen hat die Neubewertung der Sicherheitslage, die nun zum Abbruch der Reise von Faeser und Karner geführt hat, dem Vernehmen nach kurzfristig auch für die Arbeitsfähigkeit der deutschen Botschaft in Damaskus. Diese nahm nach der Eröffnung ohnehin nur in sehr eingeschränkter Form den Betrieb auf. Konsularangelegenheiten werden immer noch von der Vertretung in Beirut betreut.

Neue Situation nach Sturz von Assad

Im Dezember war der syrische Langzeitmachthaber Baschar al-Assad von einer Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt worden. 

Inzwischen wird das Land von einer Übergangsregierung um den Präsidenten Ahmed al-Scharaa geführt. Vor drei Wochen hatte ein Überraschungsangriff alawitischer Assad-Anhänger eine Militäraktion in der Küstenregion im Nordwesten ausgelöst mit Hunderten Toten - darunter viele alawitische Zivilisten.

Demgegenüber stehen positive Entwicklungen wie die Vereinbarung eines Abkommens zwischen der Übergangsregierung und den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) am 10. März.

Mehr als 972.000 syrische Staatsangehörige leben in Deutschland

Ende Februar lebten laut Ausländerzentralregister 972.470 syrische Staatsangehörige in Deutschland. Darunter waren rund 10.600 Ausreisepflichtige. Etwa 9.500 von ihnen besaßen eine Duldung. Geduldete sind Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können - etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben oder krank sind. Die Duldung ist immer befristet.

Seit mehr als zwei Monaten arbeitet das Bundesinnenministerium an einer Regelung, die es Geflüchteten aus Syrien erlauben soll, für kurze Zeit in die alte Heimat zu reisen, ohne dadurch ihren Schutzstatus in Deutschland zu riskieren. Die Idee dahinter: Die Menschen sollen herausfinden können, ob die Voraussetzung für eine sichere Rückkehr gegeben sind. Einige Politiker der Union äußerten sich kritisch zu diesem Vorschlag von Faeser und Baerbock. 

Wichtig sei die Grundversorgung mit Wohnraum, Strom, Trinkwasser und Schulunterricht, sagte Faeser. Solange dies nicht gegeben sei, zögerten viele Flüchtlinge, die eigentlich zurückkehren wollten. Aus dem Flüchtlingslager Saatari sind seit dem Sturz von Assad nach Angaben eines Mitarbeiters des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), der Faeser dort empfing, rund 5.700 Menschen nach Syrien freiwillig zurückgekehrt. Aktuell leben dort in Containern seinen Angaben zufolge noch rund 75.000 Menschen.