Islamistische Gefährder IMK-Chef sieht noch hohe Hürden für Abschiebung nach Syrien
Jahrelang hat Deutschland niemanden nach Syrien abgeschoben. Zu gefährlich war die Lage im Bürgerkrieg. Der Abschiebestopp gilt nun nicht mehr. Doch bis der erste Gefährder im Flugzeug sitzt, dürfte noch einige Zeit vergehen.
Stuttgart (dpa) - Der neue Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl, sieht auch nach dem Ende des Abschiebestopps nach Syrien hohe Hürden für Rückführungen in das Bürgerkriegsland.
"Auch Gefährder in unserem Land können sich jetzt nicht mehr auf einen Abschiebestopp berufen", sagte Baden-Württembergs CDU-Innenminister der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Allerdings müssten mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, erst dann könne es "in Einzelfällen auch zu Rückführungen nach Syrien kommen". Der seit 2012 geltende Abschiebestopp war auf Drängen der Union Ende 2020 ausgelaufen.
Es gebe eine Reihe von Personen, "wo ich es als einen absoluten Sicherheitsgewinn für Baden-Württemberg und Deutschland betrachten würde, wenn sie nicht mehr hier wären, sondern wenn wir sie nach Syrien zurückbringen könnten", sagte Strobl. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gibt es in Deutschland 89 islamistische Gefährder aus Syrien. Gefährder sind Menschen, denen schwerste politisch motivierte Straftaten zugetraut werden.
Aus Baden-Württemberg könnten etwa zehn Straftäter oder Gefährder nach Syrien zurückgeführt werden, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das Abschiebeverbot bei diesen Personen aufhebe, sagte Strobl. Weitere Bedingung für Rückführungen sei, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in jedem einzelnen Fall geprüft und beachtet werden müsse. "Und drittens muss praktisch die Möglichkeit bestehen, eine Person zurückzuführen."
Das heißt, dass es in Syrien sichere Gebiete geben müsse, in die man abschieben kann. Hier ist die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts entscheidend. Zuletzt hatte es geheißen, dass es in allen Landesteilen "weiterhin zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure" komme. Dazu sagte Strobl: "Die Zeiten ändern sich und die Situation vor Ort in Syrien kann sich ebenfalls ändern."
Als turnusmäßiger Vorsitzender der Innenministerkonferenz hat sich der CDU-Politiker vorgenommen, die Cyberkriminalität verstärkt anzugehen. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Cyber-Spionage und Cyber-Sabotage seien "gigantisch". Hier müsse die Zusammenarbeit der Länder verbessert und auf Arbeitsteilung geachtet werden. "Nicht jeder muss alles machen. Das gilt für mich generell im Föderalismus und das gilt auch für die Sicherheitsbehörden, etwa auch für unsere Verfassungsschutzämter", sagte Strobl. "Es wäre gut, wenn wir in den Sicherheitsbehörden stärker Schwerpunkte bilden und die Länder sich auch gegenseitig unterstützen würden. Das ist mein Weg."
Darüber hinaus will der Innenminister die polizeiliche Kooperation in Europa stärken. "Schengen ist eine zentrale Errungenschaft Europas", sagte Strobl. "Aber wir haben damit natürlich auch einen Raum, in dem sich auch Kriminelle - im Prinzip von Sizilien bis Finnland - frei bewegen können." Deshalb müsse der polizeiliche Informationsaustausch verbessert werden. Vorbild könne da das gemeinsame Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Kehl sein, "wo wir seit über zwei Jahrzehnten Pionierarbeit leisten".
In der Innenministerkonferenz tauschen sich die Minister von Bund und Ländern aus. Sie treffen sich zwei Mal im Jahr.
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