Flüchtlinge Innenminister zieht Asyl-Bilanz
Im Jahr 2016 gab es weniger Asylsuchende und mehr Asylanträge als im Vorjahr, berichtet Innenminister de Maizière.
Berlin (dpa) l Die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland ist 2016 drastisch zurückgegangen – auf nur noch ein Drittel des Vorjahres. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, suchten in den vergangenen zwölf Monaten noch 280.000 Menschen hierzulande Schutz, nach 890.000 im Asyl-Rekordjahr 2015. "Es ist gelungen, das Migrationsgeschehen zu ordnen, zu steuern", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin.
Die Zahl der Asylanträge stieg 2016 auf mehr als 745.000 (davon gut 722.000 Erstanträge) – das waren fast 269.000 mehr als im Vorjahr. Ein großer Teil der Antragsteller war bereits 2015 eingereist, viele konnten aber wegen der Überlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht sofort einen Antrag stellen. "Der Berg unerledigter Anträge wird abgetragen", sagte de Maizière nun.
Das BAMF habe im Vorjahr die Zahl seiner Asylentscheidungen erheblich gesteigert, hob der Minister hervor – auf zuletzt gut 695.000, etwa 146 Prozent mehr als 2015. Zudem konnte im vierten Quartal 2016 auch die Zahl der anhängigen Verfahren deutlich von etwa 579.000 (Ende September) auf 434.000 (Ende Dezember), also um 25 Prozent, abgebaut werden, hieß es aus dem Ministerium.
Der Minister betonte, "dass die Maßnahmen, die die Bundesregierung und die Europäische Union ergriffen haben, greifen". Nach den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres seien das EU-Türkei-Abkommen gekommen und die Balkanroute geschlossen worden. Vergleichzahlen aus anderen EU-Staaten liegen noch nicht vor.
Der bisherige BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise meinte, für Asylbewerber in Deutschland seien die Bedingungen erheblich verbessert, die Wartezeiten verkürzt und Übergänge in den Arbeitsmarkt beschleunigt worden. Früher habe es drei Monate und länger gedauert, bis ein Asylbewerber seinen Antrag gestellt hatte, jetzt dauere das in der Regel nur einen halben Monat.
Auch die Bearbeitungsdauer sei verringert worden, auf zwei Monate im Schnitt. Entsprechende Kritik an den Asylverfahren sei "erledigt", so de Maizière. Alle Flüchtlinge seien registriert, Doppelidentitäten gebe es nicht mehr, erklärte Weise. Der Schutz vor Asylbetrug sei "wesentlich verbessert" worden.
Die Schutzquote lag im Vorjahr nach Angaben de Maizières bei 62 Prozent. Die größte Gruppe unter den Schutzsuchenden stellen derzeit die Syrer (36 Prozent), in deren Heimatland ein Krieg tobt, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Zu den Hauptherkunftsländern zählten 2016 außerdem Afghanistan (17 Prozent) und der Irak (13 Prozent).
Das Thema der Integration dieser Menschen "wird uns über viele Jahre beschäftigen – alle staatlichen Ebenen", fügte der Minister hinzu. Bei Integrationskursen gebe es aber schon einen "gewaltigen Aufwuchs". Nach dem offiziellen Verteilschlüssel stellten die meisten Asylbewerber ihren Erstantrag in Nordrhein-Westfalen (rund 197.000), es folgten Baden-Württemberg (knapp 85.000), Niedersachsen (83.000) und Bayern (82.000).
De Maizière verwies darauf, dass auch die Rückkehrerzahlen aus Deutschland in die Herkunftsländer 2016 gestiegen seien, es gab etwa 55.000 Freiwillige (2014: 13.000; 2015: 25.000) und 25.000 Abschiebungen. Das sei "sehr viel – viel mehr als je zuvor", es müssten aber noch mehr werden.
Kritik kam von der Linkspartei und der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Linke-Parteichef Bernd Riexinger sagte: "Die stark gesunkenen Zahlen der Asylsuchenden in Deutschland bedeuten leider nicht, dass im letzten Jahr weniger Menschen gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass geschlossene Grenzen irgendwelche Probleme dauerhaft gelöst hätten."
Pro Asyl erklärte: "Der drastische Rückgang neu ankommender Asylsuchender ist nicht das Ergebnis einer Verbesserung der Verhältnisse in den Herkunftsländern, sondern einer rigorosen Abschottungspolitik." Auffällig sei auch, dass rund 25 Prozent der Schutzberechtigten 2016 nur noch subsidiären (eingeschränkten) Schutz erhielten, gegenüber 0,7 Prozent im Jahr davor.