Konflikt in Nahost Islamisten lassen drei weitere Geiseln im Gazastreifen frei
Maskierte Kämpfer stehen Spalier, die Geiseln werden auf einer Bühne vorgeführt – erneut inszenieren die Islamisten in Gaza die Übergabe dreier Männer ans Rote Kreuz. Israel kontert aber.
![Auf der Bühne vorgeführt: die Geiseln unmittelbar vor ihrer Freilassung.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/15/d331598f-e238-4186-a8a9-2d3e4bc402cf.jpeg?w=1024&auto=format)
Gaza/Tel Aviv - Die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad haben im Gazastreifen drei weitere israelische Geiseln freigelassen. Die vor 16 Monaten entführten Männer wurden in Chan Junis an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben und trafen wenig später in Israel mit Angehörigen zusammen. Im Gegenzug begann Israel, 369 inhaftierte Palästinenser freizulassen - so wie es eine Waffenruhe-Vereinbarung der Kriegsparteien vorsieht.
Während der live im Fernsehen übertragenen Geiselübergabe wurden die Männer am Morgen von vermummten und bewaffneten Kämpfern vor den Augen Hunderter Schaulustiger auf eine Bühne geführt. Dort mussten sie in ein Mikrofon sprechen sowie „Freilassungsdokumente“ sowie „Andenken“ an ihre Gefangenschaft in den Händen halten. Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einer „verabscheuungswürdigen und zynischen Zeremonie“.
Die Geiseln sahen auf den ersten Blick nicht so abgemagert aus, wie die in der Vorwoche freigelassenen Männer.
Die Islamisten hatten bereits bei den vorherigen Geiselfreilassungen versucht, sich trotz aller Zerstörungen während des Gaza-Kriegs als unbesiegt und militärisch handlungsfähig zu präsentieren. Ein Kriegsziel Israels war und ist es, die Hamas komplett zu zerschlagen.
Ein Israeli wurde in Abwesenheit Vater
Präsident Herzog schrieb auf X, der freigelassene Sagui Dekel-Chen (36) werde nun seine während seiner Geiselhaft geborene Tochter kennenlernen. Israelischen Medien zufolge reagierte der Mann bereits freudig auf die Nachricht, dass er eine dritte Tochter bekommen habe. Auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand habe er geantwortet: Es gehe ihm gut, er habe eine Tochter. Israelische Medien verbreiteten ein Foto, dass ihn lächelnd beim Wiedersehen mit seiner Frau zeigt.
Während Iair Horn freigelassen wurde, bleibt sein jüngerer Bruder in Hamas-Gefangenschaft. Der 46-Jährige habe die Hälfte seines Gewichts verloren, sagten Angehörige Medien zufolge.
Frei kam zudem Alexander (Sascha) Trufanov, der auch einen russischen Pass besitzt. Bei dem Terrorüberfall wurde sein Vater getötet. Seine Angehörigen wissen eigenen Angaben zufolge nicht, ob Trufanov dies klar ist. Der Palästinensische Islamische Dschihad veröffentlichte mehrere Videos des 29-Jährigen, zuletzt kurz vor seiner Freilassung.
Die drei wurden nach ihrer Freilassung zunächst in eine Armeeeinrichtung in Südisrael gebracht und dort untersucht. Anschließen wurden sie in Krankenhäuser geflogen. Dort sollen sie demnach weitere Angehörige treffen.
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Der Überfall war der Auslöser des Kriegs in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 48.200 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Auch palästinensische Häftlinge kommen frei
Israel begann nach der Freilassung der Geiseln damit, palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen zu entlassen. Ein Kleinbus mit Insassen aus dem israelischen Ofer-Gefängnis im Westjordanland erreichte Ramallah, meldeten israelische und palästinensische Medien. Dort begrüßten sie demnach Hunderte Menschen jubelnd.
Insgesamt sollten im Gegenzug für die drei israelischen Männer 369 inhaftierte Palästinenser freikommen – darunter 333 Personen, die im Gazastreifen nach dem 7. Oktober festgenommen wurden sowie 36 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte Palästinenser aus dem Westjordanland und aus Ost-Jerusalem. Mehrere werden aufgrund ihrer schweren Straftaten im Rahmen des Abkommens ins Ausland gebracht.
Israelische Medien meldeten, Hunderte der freikommenden Palästinenser hätten auf Anordnung Israels Pullover mit einem Davidstern und der arabischen Aufschrift „Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht“ tragen müssen. Dies sei offenbar eine Reaktion auf die Inszenierungen der Islamisten rund um die Geiselfreilassungen im Gazastreifen, schrieb die Zeitung „Times of Israel“.
Waffenruhe stand auf der Kippe
Die Hamas hatte die nun erfolgte Freilassung zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Israel drohte daraufhin mit einem Neubeginn des Kriegs, und US-Präsident Donald Trump stellte den Islamisten ein Ultimatum, um die Freilassung aller verbliebenen Geiseln zu erzwingen. Die Islamistenorganisation lenkte nach Vermittlungsgesprächen in Ägypten schließlich ein. Ein Scheitern der fragilen Waffenruhe konnte noch einmal abgewendet werden.
Nun noch 73 Geiseln im Gazastreifen - 37 am Leben
Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar haben Islamisten im Gazastreifen inzwischen in mehreren Runden 19 Geiseln im Rahmen des Deals freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig der Vereinbarung frei. 14 weitere Entführte, darunter acht Tote, sollen in den kommenden zwei Wochen im Rahmen der ersten Phase des Deals übergeben werden.
Insgesamt werden jetzt noch 73 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, darunter 36 Leichen. Weitere lebende Verschleppte sollen in einer zweiten Phase des Deals freikommen. Ob die zweite Phase tatsächlich umgesetzt, ist derzeit aber völlig ungewiss.