Bundestagswahl Jamaika-Koalition ist kein Selbstläufer
Im Wahlkampf haben sich FDP und Grüne nichts geschenkt. Nun müssen sie Kompromisse finden für eine Jamaika-Koalition mit der CDU/CSU finden.
Berlin (dpa) l An Selbstbewusstsein mangelt es den Grünen nach ihrem Wahlerfolg und der FDP nach ihrem grandiosen Wiedereinzug in den Bundestag nicht. Als bloße Stützräder für die Union in einem schwarz-gelb-grünen Jamaika-Bündnis sehen sich nach diesem Wahlsonntag weder die Grünen noch die Liberalen.
Auf den ersten Blick steht Jamaika für Fortschritt und Bewahren zugleich: Die FDP treibt die Digitalisierung und den Wettbewerb mit weniger Staat voran, die Grünen den Klimaschutz und Europa. Und die Union sorgt für innere und äußere Sicherheit. Steuern senken wollen ohnehin alle und insbesondere die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Kein Problem also. Ganz so einfach wie auf dem Wahlprogramm-Papier wird es aber mit dem Dreierbündnis nicht.
KLIMASCHUTZ: Die Grünen treten in ihrem Wahlprogramm dafür ein, ab dem Jahr 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum für den Verbrennungsmotor festgehalten ist. Die Liberalen halten nichts von einem Verbot von Verbrennungsmotoren. CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel sieht den Verbrennungsmotor allenfalls als eine Brückentechnologie an.
In der ENERGIEPOLITIK könnten die Jamaika-Partner zusammenkommen, wenn alle Kompromisse machen. Die Grünen wollen die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort dicht machen und bis 2030 ganz aus der Kohle aussteigen. Die Union ist für einen Ausstieg zumindest aus der Braunkohle, ohne sich aber auf ein Datum festzulegen. Die FDP geriert sich als Partei des Wettbewerbs, schlanken Staates und des freien Unternehmertums. Sie will weniger Vorgaben, etwa bei Treibhausgasen.
Schwieriger könnte es in Sachen LANDWIRTSCHAFT werden, etwa, wenn es um Massentierhaltung und Agrar-Industrie geht. Die Union sieht sich eher an der Seite der traditionellen Bauern. Aber Gemeinsamkeiten gibt es hier durchaus – selbst zwischen den Grünen und der CSU.
Richtig kompliziert wird es in der FLÜCHTLINGS- und EINWANDERUNGSPOLITIK. Hier dürften zumindest FDP und Grüne an einem Strang ziehen. Wenn es um Bürgerrechte geht und darum, die Union im Bestreben nach schärferen Sicherheitsgesetzen zu bremsen. Eine Obergrenze für Flüchtlinge ist schon unter CDU und CSU heftig umstritten, die Grünen sind dagegen und für erleichterten Familiennachzug. FDP und Grüne sind für ein Einwanderungsgesetz und ein Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung. Auch hier müssen sich zunächst CDU und CSU auf einen gemeinsam Nenner verständigen.
In der STEUERPOLITIK gibt es Schnittmengen. Entlastungsversprechen standen ohnehin in diesem Wahlkampf nicht so im Mittelpunkt. Untere und mittlere Einkommen wollen alle Parteien entlasten – die einen mehr, die anderen weniger. Den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, versprechen ebenfalls alle. Problematisch wird es, wenn es um Mehrbelastungen hoher Einkommen, Erbschaften und von Topvermögen geht. Die CSU schließt wieder einmal jegliche Steuererhöhungen aus und gibt sich als Schutzmacht für vermögende Firmenerben. Strittig sind auch das Ehegattensplitting und die Besteuerung von Kapital- und Zinserträgen – Stich- und Reizwort Abgeltungsteuer.
In der EUROPAPOLITIK könnte die FDP die neue Regierung dazu drängen, bei den Euro-Regeln kompromissloser aufzutreten.
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