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Praktica-Kameras Kamen Prakticas für den Westen aus Zwangsarbeit?

SED-Opferbeauftragte kritisiert Hamburger Otto-Versand für Desinteresse an Aufklärung

17.06.2023, 12:01
Eine Spiegelreflexkamera Praktica BCA aus DDR-Produktion.
Eine Spiegelreflexkamera Praktica BCA aus DDR-Produktion. Foto: Imago

Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke sieht neue Belege, dass westdeutsche Unternehmen zu DDR-Zeiten von Zwangsarbeitern hergestellte Produkte verkauft haben. Bei der Vorstellung ihres Jahresberichts kritisierte Zupke am Donnerstag den früheren Otto-Versand, der die teils von politischen Gefangenen in Cottbus gefertigte Kamera Praktica vertrieben habe. Sie warf der Otto Group vor, Gesprächsangebote nicht angenommen zu haben. Die Otto Group wies die Vorwürfe auf Anfrage zurück.

Zupke erklärte in ihrem Jahresbericht, die Bedingungen in der Cottbuser Gefängnisproduktion seien selbst vom DDR-Innenministerium als mangelhaft eingestuft worden. Zudem hätten sie dem internationalen Übereinkommen über die Abschaffung von Zwangsarbeit widersprochen. Nach Recherchen von Zupkes Büro waren in Cottbus 250 bis 300 politische Häftlinge an der Produktion der Kamera-Gehäuse beteiligt. Als eine westdeutsche Branchenzeitung 1976 über die Missstände berichtete, hätten mehrere westdeutsche Unternehmen den Verkauf der Praktica eingestellt. Andere hätten ihn jedoch fortgesetzt, darunter der Otto-Versand, Photo Porst und Quelle.

Mit der exemplarischen Recherche zur Kamera-Produktion sei nachweisbar, dass westdeutsche Konzerne Waren von DDR-Betrieben mit Produktionsstätten in Gefängnissen verkauften, in denen politische Häftlinge eingesetzt wurden, heißt es im Bericht. Zupke sagte bei der Vorstellung, es gehe ihr nicht darum, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen, sondern die frühere Häftlings-Zwangsarbeit in der DDR aufzuklären. Bei Otto konstatierte sie eine „Abwehrhaltung“ gegen konstruktive Gesprächsangebote.

Die Otto Group hält die angeführten Belege nicht für ausreichend. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage: „Bei den vom damaligen Otto-Versand vertriebenen Praktica-Modellen besteht daher eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit, dass diese gar keine Teile aus Häftlingsarbeit enthielten. Hieran hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert, jede anders lautende Behauptung ist falsch.“

Die Veröffentlichung im Fachmagazin „markt intern“ sei von damals Verantwortlichen bei Otto wahrscheinlich nicht wahrgenommen worden. „Wir sind sehr verwundert, trotz intensiven Dialogs mit allen Beteiligten im Zentrum einer ganz offensichtlichen Kampagne der Opferverbände zu stehen und weisen die Vorwürfe entschieden zurück“, erklärte der Sprecher.

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft kritisierte das Verhalten von Otto. Die Firma verweigere sich jeglicher Aufklärung der Beteiligung an Zwangsarbeit von politischen Häftlingen der DDR, erklärte der Vorsitzende Dieter Dombrowski.

Die Praktica-Spiegelreflexkameras wurden im Westen deutlich unter dem DDR-Preis verkauft. Das lag auch daran, dass in den achtziger Jahren der technologische Rückstand zu den führenden japanischen Herstellern wie Nikon, Minolta oder Canon sehr groß geworden war. Partiell wurde auf dem Gehäuse der Markenname gegen Handelsbezeichnungen auch ausgetauscht. So hießen die DDR-Kameras „Jenaflex“, „Kawenda“, „Hanimex“, „Revue“ (für Foto-Quelle) oder „Porst“. (dpa/uk)