Kriminalität Klima-Blockierer: Razzia bei „Letzte Generation“-Mitgliedern
Geldstrafen wegen Blockaden wurden gegen Klimaschutz-Demonstranten bereits öfter verhängt. Auch einzelne Durchsuchungen gab es. Nun gingen Strafverfolger in mehreren Bundesländern zugleich gegen eine bekannte Gruppe vor.
Berlin/Neuruppin - Fast klang es wie eine Drohung, was die Innenminister der Bundesländer kürzlich zu den Stör- und Blockadeaktionen der Klimaschutz-Demonstranten sagten. Man sei sich in der Innenministerkonferenz einig, dass „erhebliche Straftaten“ von Anhängern der Gruppe „Letzte Generation“ bekämpft werden müssten, betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Scharfe Töne kamen auch aus Brandenburg von Innenminister Michael Stübgen (CDU). Die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin war es nun auch, die eine Razzia in mehreren Bundesländern anstieß und den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung in den Raum stellte.
Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten am frühen Morgen elf Wohnungen und Räume von Mitgliedern der „Letzten Generation“ in mindestens sechs Bundesländern. Grund seien mehrere Attacken von Klimaaktivisten auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement im brandenburgischen Neuruppin. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen worden. In einigen Fällen sei es beim Versuch geblieben.
„Letzte Generation“ spricht von „Einschüchterungsversuch“
Die Gruppe „Letzte Generation“ sprach von einem „Einschüchterungsversuch“, der sie nicht stoppen werde. „Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun – wenn der Wunsch nach Informationen besteht, braucht es keine Hausdurchsuchung.“ Dies unterstrich auch der Leipziger Klimaaktivist Jakob Beyer. „Wir werden weitermachen, weil das, was auf dem Spiel steht, so wichtig ist“, sagte Beyer der Deutschen Presse-Agentur. „Über drei Milliarden Menschen werden in Zonen leben, in denen sie keine Landwirtschaft mehr betreiben können, wenn wir jetzt nichts gegen die Klimakrise machen.“
Die Regierung versuche, den Protest der Gruppe zu kriminalisieren, sagte Carla Hinrichs, Sprecherin der „Letzten Generation“ am Dienstagabend am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. Dort war kurzerhand eine angemeldete Demonstration der linken Szene gegen Polizeigewalt als Solidaritätskundgebung genutzt worden. Insgesamt rund 150 Menschen beteiligten sich daran laut Polizei. „Die Kriminalisierung von friedlichem Protest ist ein Angriff auf uns alle“, so Hinrichs.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird ermittelt wegen Störung öffentlicher Betriebe und des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Verdacht könne gegeben sein, wenn sich Beschuldigte wiederholt zu Straftaten verabredeten, erläuterte Klement. Das Gesetz spricht von einem längeren, organisierten Zusammenschluss von mindestens drei Menschen, dessen Zweck oder Tätigkeit „auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist“.
Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) erklärte: „Eine Gruppierung, die gemeinschaftlich darauf ausgerichtet ist, planmäßig Straftaten zu begehen, erfüllt den Tatbestand einer kriminellen Vereinigung, auch wenn die Straftaten einem vermeintlich höherwertigen Ziel dienen sollen.“
Durchsuchungen gab es laut der Gruppe in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. In Ermittlerkreisen wurde auch Brandenburg genannt. Als konkrete Orte wurden Leipzig, Cottbus und Mannheim bekannt.
Mehrfach Erdölzufuhr unterbrochen
Mitglieder der Gruppe hatten seit dem Frühjahr mehrfach an Pumpstationen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die Erdölzufuhr zur Raffinerie PCK Schwedt unterbrochen. Dafür waren sie auf das Betriebsgelände der Pumpstationen eingedrungen.
PCK Schwedt ist mit 1200 Arbeitsplätzen die wichtigste Raffinerie zur Versorgung der ostdeutschen Tankstellen. Wegen des geplanten Öl-Embargos gegen Russland bemühen sich Bundes- und Landesregierung seit Monaten um alternative Versorgungswege für die Raffinerie.
Die „Letzte Generation“ teilte mit: „Seit einem Jahr sehen wir Einschüchterungsversuche, Versuche unser Handeln zu unterbinden, Versuche uns mundtot zu machen. Wir wurden beschimpft, verurteilt, ins Gefängnis gesperrt.“ Das eigentliche Problem sei aber das Handeln der Regierung in der Klimakrise: „Das ist Rechtsbruch. Das ist verfassungswidrig. Das ist kriminell.“
Laut der Gruppe hätten fünf ihrer Mitglieder, bei denen die Polizei durchsuchte, schon zuvor in Gefängnissen im sogenannten präventiven Gewahrsam gesessen. Der kann angeordnet werden, um weitere Taten zu verhindern.
Aktivisten blockieren immer wieder Straßenkreuzungen
Seit Anfang 2022 blockiert die „Letzte Generation“ immer wieder Autobahnausfahrten und Straßenkreuzungen in Berlin und anderen Städten, in dem sich Mitglieder auf dem Asphalt festkleben. Dazu kamen Störaktionen in Museen und zuletzt Blockadeaktionen auf dem Berliner und Münchner Flughafen. In Berlin gibt es mehr als 1500 Anzeigen und mehr als 700 Ermittlungsverfahren. Die Justiz hat etwa 350 mutmaßliche Blockierer namentlich erfasst. In Berlin und München wurden inzwischen viele Geldstrafen verhängt.
Unterstützung kam bei Twitter hingegen von anderen linken Umweltinitiativen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und Attac, die die Durchsuchungen verurteilten.
Dagegen begrüßte Unionsfraktionschef Friedrich Merz die Razzia. Die Aktionen der Gruppe hätten „mit Klimaschutz nichts mehr zu tun“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. Es gehe um gefährliche Eingriffe in den Straßen- und Luftverkehr, Nötigung, Hausfriedensbruch „und Straftatbestände gegen Leib und Leben der Bevölkerung“. Merz ergänzte: „Hier muss der Rechtsstaat Zähne zeigen. Das tut er. Ich begrüße das ausdrücklich.“
Mehrfach hatte die „Letzte Generation“ eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ angekündigt. Man ziele auf die „Adern der Gesellschaft“, etwa Verkehrsverbindungen - und „dort wird es weiter an allen Ecken und Enden Unterbrechungen geben“, sagte einer der Mitgründer der Gruppe Anfang Dezember. Eine Sprecherin betonte damals: „Der Widerstand wird stärker werden. Und er hört auch nicht an Weihnachten auf, und auch nicht im neuen Jahr.“ Daran werden sich auch jetzt nichts ändern, betonte die Gruppe nach den Durchsuchungen.