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Ukraine-Krieg Land gegen Frieden?

Ein Gedankenspiel des Stabschefs von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Diskussionsrunde im norwegischen Küstenort Arendal sorgt bei Offiziellen in Kiew offenbar für Empörung. Stian Jenssen hatte einen Deal mit Moskau vorgeschlagen. Eine mögliche Lösung sei das Abtreten von Gebieten im Gegenzug für grünes Licht für eine Nato-Mitgliedschaft.

Von Uwe Kreißig 19.08.2023, 15:27
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r.) am Donnerstag mit seinem Stabschef Stian Jenssen im norwegischen Arendal.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r.) am Donnerstag mit seinem Stabschef Stian Jenssen im norwegischen Arendal. Foto: Imago

Der Norweger Jenssen gilt als engster Vertrauter seines Landsmanns Stoltenberg. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass Jenssen ohne Absprache mit seinem Chef die Idee mit den Gebietsabtretungen formuliert hat.

Das Gespräch, von dem ein Mitschnitt existiere, habe nach Informationen der Zeitung „ND“ (früher „Neues Deutschland“) umgehend zu harschen Reaktionen in Kiew und Moskau geführt, allerdings nicht in den Hauptstädten der westlichen Allianz.

Bereits beim Gipfel in Vilnius, als man der Ukraine die Nato-Perspektive so zusperrte, dass das Thema völlig von der Agenda verschwand, sowie beim Kontakttreffen in Saudi-Arabien war ersichtlich geworden, dass man inzwischen in Washington über einen politischen Deal für den Ukraine-Krieg nachdenkt.

Klar ist für alle Seiten, dass sich Kiew ohne die riesigen monatlichen Transfers von Waffen, Munition, Treibstoffen und nicht zuletzt von Milliarden an Dollar im Verteidigungskrieg gegen die russische Militärmaschinerie nicht lange halten könnte.

Intern wird längst eingestanden, dass die Gegenoffensive der Ukraine auf ganzer Linie gescheitert ist. Nach einem Bericht der „Washington Post“ gehen US-Geheimdienste inzwischen von einem Flop der Offensive aus.

Der Vorschlag Jenssens ist nicht völlig neu. Bereits im Juni 2022 hatte sein Chef Stoltenberg auf den jährlichen „Kultaranta-Gesprächen“ in Finnland gesagt, dass die Ukraine entscheiden müsse, „wie viel Land sie für einen Frieden opfern“ wolle. Der Westen sei bereit, für die Stärkung des ukrainischen Militärs „einen Preis zu zahlen“, sagte er damals weiter. „Aber Kiew werde Moskau einige territoriale Zugeständnisse machen müssen, um den Konflikt zu beenden.“ Stoltenberg verwies auf Finnland, das 1948 einen Separatfrieden mit Stalin abschloss, dadurch Karelien verlor, aber seine Integrität als Land und Nation bewahren konnte. Neu an der „Jenssen-Variante“ ist nur, dass die Ukraine im Gegenzug für Abtretungen Nato-Mitglied werden soll.

Frieden habe immer seinen Preis. „Frieden ist möglich. Die Frage ist nur: Welchen Preis sind (die Ukrainer) bereit, für den Frieden zu zahlen?“, so der Nato-Chef damals ungewohnt offen. Doch danach änderte Washington seine Strategie, als der russische Vormarsch ins Stocken geriet. Die Strategen glaubten, mit starker Unterstützung der Ukraine Putin eine komplette Niederlage zufügen zu können.

Stoltenberg hat unterdessen Kiew demonstrativ die Entscheidungshoheit über einen möglichen Beginn jeglicher Verhandlungen mit Russland zugewiesen. „Es sind die Ukrainer, und nur die Ukrainer, die entscheiden können, wann die Bedingungen für Verhandlungen gegeben sind“, sagte Stoltenberg am Donnerstag in Arendal, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

In Kiew wachse derweil der Unmut der Bevölkerung über die Führung. Die in dieser Hinsicht gut vernetzte „Berliner Zeitung“ berichtete vor wenigen Tagen, dass hohe ukrainische Militärs in Spanien Villen erwerben würden. Dementiert wurde dieser Skandal bis jetzt nicht.