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Flüchtlings-Krise "Libanon wäre Modell für Syrien"

Die Magdeburger Syrien-Expertin Hanna Pfeifer zur Situation und Zukunft Syriens.

Von Steffen Honig 30.09.2015, 01:01

Volksstimme: In die Lösung des Syrien-Konflikts ist nach Jahren Bewegung gekommen. Ist das nur der Flüchtlingskrise geschuldet?

Hanna Pfeifer: Im Moment ist dies sicher auch durch die Flüchtlingskrise bedingt, die nicht enden wird, wenn nicht nach Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung gesucht wird. Wesentlicher ist im Moment die Rolle, die sich Russland zugeschrieben hat. Es bewegt sich weltpolitisch sehr viel, weil Wladimir Putin den Westen unter Druck setzt. Die westlichen Staaten tun sich sehr schwer mit dem Konflikt: Einerseits ist da die Ablehnung des Assad-Regimes, andererseits wird immer klarer, dass der Islamische Staat nur zu bekämpfen ist, wenn man mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kooperiert.

Wie kann der Konflikt gelöst werden: Mit oder ohne Assad?

Bei den Vereinten Nationen gab es schon früh die Erkenntnis, dass man letztlich nur noch mit Assad lösen kann. Das Assad-Regime wird durch mehrere Parteien gestützt: Russland, Iran und die Hisbollah im Libanon. Alle diese Kräfte müssen einbezogen werden, wenn es tatsächlich eine Lösung geben soll. Es gab mehrere Versuche, wo der Iran außen vor war. Das ist ein großer Fehler gewesen: Man braucht das Land, um die Region zu befrieden.

Dafür ist der Atomdeal mit dem Iran eine Vorlage.

Der Atomvertrag löst eine neue Dynamik in der Region aus. Einerseits mit dem Iran selbst, andererseits auch mit Russland. Denn im Zusammenhang der verschiedenen Krisen bedeutete der Ukraine-Konflikt nochmals eine größere Gefährdung der kollektiven Sicherheitsmechanismen, die wir global haben.

Wie wichtig für einen Frieden in Syrien ist eine Kooperation zwischen den USA und Russland?

Das ist eine ganz zentrale von zwei Achsen: Die eine zwischen dem Westen und Russland, die andere ist die Einbindung der Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien. Damit sind die vier entscheidenden Mächte für die Lösung des Konfliktes benannt.

Was kann Deutschland tun?

Die Stärke der deutschen Außenpolitik ist es in der Regel, die Kultur der Diplomatie zu pflegen. Die Entscheidung, Waffen an die Kurden in der Konfliktregion zu liefern, war daher sehr umstritten. Ein großes Problem ist, dass momentan alle Seiten mit Waffen beliefert werden, der Nachschub nicht abreißt. Durch diese Aufrüstung zieht sich der Konflikt in die Länge. Die deutsche Rolle könnte sein, die politischen Ursachen zu hinterfragen und diplomatisch auf eine Lösung hinzuwirken. Meine Erfahrungen vor Ort sind, dass die Deutschen einen guten Stand haben. Deutschland hat keine Kolonialgeschichte in der Region und war nicht am Irak-Krieg beteiligt. Das schafft Akzeptanz.

Könnten Sie ein Szenario für die Entwicklung in Syrien entwickeln?

Eine schwierige Frage. Als ein Auslöser der Krisen im Nahen Osten werden vielfach die Grenzziehungen nach der Mandatszeit in den 1920er Jahren gesehen. Die meisten Akteure haben aber inzwischen ein Interesse daran, dass die syrischen Grenzen so bleiben, wie sie sind. Das hängt etwa mit der Kurdenfrage zusammen: Im Irak gibt es eine autonome kurdische Region, wenn diese auch in Syrien entstehen würde, wäre das ein gewaltiges Problem für die Türkei und den Iran. Der Konflikt ist inzwischen auch eindeutig konfessionell geprägt. In Syrien kommt es darauf an, wer es schafft, das Volk so zu repräsentieren, dass man allen religiösen Gruppen gerecht wird. Der Islamische Staat ist bereits zu Beginn des Irak-Krieges von 2003 entstanden, hat aber erst den großen Zulauf bekommen, als die sunnitischen Gruppierungen im Irak sich durch die schiitische Regierung nicht mehr angemessen berücksichtigt sahen.

Und was wird aus Assad?

Es wäre ein Fehler, Assad stützen zu wollen: Die meisten Opfer dieses Krieges sind Opfer des Regimes. Aber er hat es – wenn auch mit kritikwürdigen Mitteln – geschafft, in diesem multikonfessionellen Staat Ordnung herzustellen. Wichtig ist die Frage, welche Art von Regime das wieder erreichen kann. Es geht nicht nur um ein staatliches Dach für Schiiten und Sunniten, sondern auch für die christlichen Minderheiten. Der Nachbarstaat Libanon ist ein mögliches Modell, wie so etwas funktionieren kann.

Womit letztlich die Fluchtursachen bekämpft werden würden.

Der erste Schritt dafür wäre ein Ende der Kämpfe. Wie eine politische Lösung aussehen müsste, käme danach. Doch viele Flüchtlinge, die wir hier haben, könnten erstmDer al nicht zurück – viele stehe auf schwarzen Listen des Regimes oder des Islamischen Staates. Konfliktbewältigung dauert einfach sehr lange. Darauf müssen wir uns auch hier in Deutschland einstellen.