US-Wahl Rüpel Trump gegen Oldie Biden
In den USA ist Wahltag. Ein neuer Präsident wird gesucht. Die Atmosphäre im Land ist aufgeheizt.
Washington l "Checks and Balances“ (Überprüfung und Ausgleich) ist ein Grundprinzip amerikanischer Politik. Nach Donald Trumps ersten Eskapaden im Präsidentenamt hieß es 2016 noch beschwichtigend: Das erprobte ausgefeilte System der Gewaltenteilung in den USA werde ihn einbremsen. Alles halb so wild.
Irrtum, Trump hat nichts unversucht gelassen, Allmacht zu erlangen. Sein jüngster Coup aus dieser Woche ist die von ihm nur Tage vor der Wahl durchgedrückte Ernennung der konservativen Juristin Amy Coney Barrett zur Richterin am Obersten US-Gericht nur Tage vor Wahl.
Verliert Trump, wäre das auch ein Teil seines Vermächtnisses. Löst Barett doch ausgerechnet die verstorbene Ikone des Liberalismus in der Kammer, Ruth Bader Ginsburg, ab. Die konservative Mehrheit im Obersten US-Gericht ist nun auf Jahre zementiert.
Der Republikaner Donald Trump hat die USA gespalten wie kein anderer Präsident in der jüngeren amerikanischen Geschichte. Die Gegensätze zwischen Arm und Reich sowie den Bevölkerungsgruppen sind in dramatischer Weise verschärft worden. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Vorzugsweise per Twitter fordert der Präsident seine zumeist weiße, konservative Anhängerschaft auf, sich selbst um die vermeintlichen Rechte zu kümmern, wobei jedes Mittel recht scheint.
Trump will es noch einmal wissen und mit seinem Vize Mike Pence die USA „Four more years“ (vier Jahre mehr) regieren. Obwohl seine Amtszeit mit Skandalen gepflastert ist wie Manhattan mit Wolkenkratzern inklusive Trump-Tower. Die lange Liste enthält eine Sex-Affäre mit Playmate Karen McDougal, genauso das (gescheiterte) Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre und Enthüllungen über seine dreisten Steuertricks.
Über keinen dieser krassen Fälle ist der Präsident gestolpert. Es trat vielmehr ein Gewöhnungseffekt ein. Was, das auch noch? Trump rüpelte sich immer wieder durch.
Eines seiner Hautptversprechen vor der Wahl 2016 war der Bau einer Mauer nach Mexiko, um die Migrantenströme aus Südamerika zu stoppen. Das Vorhaben schleppt sich seit Jahren dahin.
Manche seiner zahlreichen Ankündigungen schien der Präsident aber erfüllen zu können. Der Wirtschaft hatte er zunächst tatsächlich kräftige Impulse gegeben bei den klassischen Industriezweigen wie Energie, Stahl, Kohle, Autoindustrie. Er senkte Steuern und verhängte Strafzölle gegen China und EU-Länder. Trump’scher Standardsatz im Wahlkampf; „Ich habe Fabriken nach Michigan gebracht.“ Die Erwerbslosigkeit ging deutlich nach unten. Es waren so viele Amerikaner in Arbeit wie nie zuvor.
Mit Covid-19 kam das böse Erwachen. Von 3,6 Prozent zu Jahresanfang stieg die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten auf 14,4 Prozent im April. Derzeit sind es knapp 8 Prozent.
Eine Corona-Krise hätte gewiss auch Trumps Kontrahenten Joe Biden schwer erwischt. Doch verfolgt der Demokrat einen völlig anderen ökonomischen Ansatz. Statt in veraltete Industrien will Biden in saubere Energie und Klimaschutz investieren. Er verspricht den Amerikanern neue Jobs und den Unternehmern gute Gewinne. Zudem will der demokratische Kandidat den US-weiten Mindestlohns auf 15 Dollar anheben.
Biden plant, den privaten Krankenversicherungen eine staatliche Komponente hinzuzufügen. Das würde „Obamacare“ weiterentwickeln. Für Trump und seine Wählerschaft ist das sozialistisches Teufelszeug. Joe Biden, früherer Vizepräsident an der Seite von Trumps Vorgänger Barack Obama, hatte sich im Nominierungsrennen seiner Partei durchgesetzt. Er wirkt bei seinen Wahkampfauftritten mitunter abwesend. Für die republikanische Gegnerschaft ist das eine willkommene Gelegenheit, den 77-jährigen Herausforderer als altersschwach und überfordert bloßzustellen. Trump ist allerdings auch schon 74. Für den Schwung im Biden-Team jedenfalls ist Kamala Harris zuständig. Die 56-jährige Juristin mit indisch-jamaikanischen Wurzeln ist seit 2017 Senatorin für den Bundesstaat Kalifornien und scheiterte im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Biden machte sie schließlich zur Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.
Sie bringt neben ihrer Dynamik und der politischen Erfahrung zwei weitere Trümpfe ein: Harris gilt als progressiv und ist Vertreterin der schwarzen Minderheit. Wäre es da nicht erfolgversprechender gewesen, Harris an die Spitze zu stellen und Biden als Vize zu nominieren? Kaum.
In den USA gibt es festgefügte Bastionen der beiden großen Parteien. Das sind für die Demokraten etwa Kalifornien oder New York. Die Republikaner haben North Dakota, Kansas oder Idaho sicher.
Entschieden wird die Präsidentschaftswahl aber in den sogenannten „Battleground States“ (Schlachtfeldstaaten) oder auch „Swing States“ (Pendelstaaten). Dazu werden diesmal insbesondere Florida, Georgia, North Carolina, Iowa und Texas gezählt.
Da wäre für eine Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris wenig zu holen: viel zu links aus amerikanischer Sicht. Der ausgleichende Mitte-Mann Biden ist hier der Richtige. Er will Amerika wieder einen und erklärte: „Ich betrachte die Situation nicht wie er es tut, aufgeteilt in demokratische und republikanische Staaten, es sind alles die Vereinigten Staaten.“
Frust und Enttäuschung über die Entwicklung in ihrem Land sitzen bei vielen Wählern tief. Für Trump oder Biden zu sein, ist das eine. Sich dafür aber die Mühe der Wahl machen, das andere. 2016 gaben von 214 Millionen eingetragenen Wählern nur 140 Millionen ihre Stimme ab. Der große Andrang bei der Briefwahl in diesem Jahr lässt auf eine höhere Beteiligung schließen.
In den Umfragen liegt Joe Biden bislang klar vorn. Dennoch wird Donald Trump nicht abgeschrieben. Dies in arroganter Manier zu tun, hatte sich für die demokratische Favoritin Hillary Clinton 2016 bitter gerächt. Am Ende konnte Donald Trump seinen Sieg feiern.
Trump fühlt sich wohl in seinem Amt. Er will sich das Wahlergebnis erst ansehen, ehe er es – vielleicht – anerkennen wird. Ansonsten haben die USA ein Problem: In der Verfassung steht nicht, wie er aus dem Weißen Haus zu holen wäre.