Verhandlungen im Ukraine-Krieg Streit um Krim: Trump geht Selenskyj an, USA erhöhen Druck
US-Präsident Trump will eine Abmachung für ein Kriegsende in der Ukraine präsentieren - und macht der Ukraine schwere Vorwürfe. Ein Treffen in London ist den USA dagegen nicht so wichtig.

London/Washington - US-Präsident Donald Trump wirft dem ukrainischen Regierungschef Wolodymyr Selenskyj vor, mit seiner Haltung den Krieg mit Russland unnötig zu verlängern. Selenskyj Weigerung, die Besetzung der Krim durch die Russen zu akzeptieren, sei „sehr schädlich für die Friedensverhandlungen“, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social, nachdem die US-Regierung den Druck auf beide Seiten ohnehin schon erhöht hatte.
Es seien solche aufhetzende Äußerungen, die es schwierig machten, diesen Krieg beizulegen, schrieb Trump. Selenskyj hatte Gebietsabtretungen an Russland zuvor kategorisch ausgeschlossen. „Da gibt es nichts zu bereden. Das steht außerhalb unserer Verfassung“, sagte der Staatschef in Kiew mit Blick auf von Russland annektierte ukrainische Gebiete wie die Schwarzmeerhalbinsel Krim.
Trump-Vize Vance in Indien, Außenminister Rubio nicht in London
Trumps Vize-Präsident JD Vance sagte am Mittwoch, beide Seiten müssten einen Teil des Territoriums, das sie derzeit kontrollieren, aufgeben - ohne Details zu den Gebieten zu nennen. Den Russen und Ukrainern sei ein „eindeutiger Vorschlag“ für die Friedensverhandlungen unterbreitet worden.
Es sei an der Zeit, dass „sie entweder "Ja" sagen“, oder sich die USA aus dem Verhandlungsprozess zurückziehen, sagte Vance während seiner Indien-Reise. US-Außenminister Marco Rubio hatte zuvor seine Teilnahme an einem vermeintlichen Gipfeltreffen in London abgesagt.
Gesprochen wurde am Mittwoch in der britischen Hauptstadt dann nur noch auf Beraterebene, nicht unter Außenministern. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums gab logistische Gründe für Rubios Abwesenheit an - die Erwartungen an schnelle Fortschritte in London für einen Frieden in der Ukraine wurden deshalb gedämpft. Große Ergebnisse wurden im Anschluss an die Sitzung auch nicht verkündet.
Vor einer Woche hatte der US-Minister noch ein ähnliches Treffen in Paris besucht. Die „New York Times“ berichtete, Rubio habe am Dienstag beschlossen, die nächste Phase der Gespräche auszulassen. Das Treffen in London sei danach herabgestuft worden, schrieb das Portal „Politico“.
US-Sondergesandte nach Moskau?
Vance äußerte sich dafür umso deutlicher in Indien. Die USA hätten ein „außerordentliches Maß“ an Diplomatie betrieben und versucht, „die Dinge aus der Perspektive sowohl der Ukrainer als auch der Russen zu verstehen“, sagte der Trump-Vize, er sprach von einem „sehr fairen Vorschlag“.
Einen genauen Zeitraum, bis wann beide Seiten „Ja“ sagen müssten, nannte er nicht. US-Medien zufolge war auch der US-Sondergesandte Steve Witkoff nicht in London dabei. Er soll demnach in den kommenden Tagen erneut nach Moskau reisen, um erneut mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Beendigung des Angriffs zu beraten.
„Wir werden sehen, ob die Europäer, die Russen und die Ukrainer letztendlich in der Lage sind, diese Sache über die Ziellinie zu bringen“, sagte Vance. Er sei aber „ziemlich optimistisch“. Das Ziel sei ein „langfristiger“ Frieden. „Wir hoffen, dass uns die Russen und Ukrainer auf halbem Weg entgegenkommen“, sagte Vance.
Verwirrung in London
Dass Rubio nicht nach London gereist war, hatte für einige Verwirrung gesorgt. Der britische Außenminister David Lammy teilte auf der Plattform X mit, er habe mit Rubio telefoniert. Großbritannien arbeite mit den USA, der Ukraine und Europa zusammen, um Frieden zu erreichen und die illegale Invasion des russischen Präsidenten zu beenden, schrieb Lammy.
In London fehlte auch der französische Außenminister Jean-Noel Barrot, stattdessen nahm Präsidentenberater Emmanuel Bonne an den Beratungen teil. Berlin entsandte - wie bereits nach Paris - den Kanzlerberater für Außen- und Sicherheitspolitik, Jens Plötner, zu den Verhandlungen.
Konflikt zwischen Kiew und Washington die Ursache?
Rubios Absage erfolgte kurz nachdem Selenskyj Gebietsabtretungen ausgeschlossen hatte. Zuvor hatte es Medienberichte gegeben, wonach Trumps „letztes Angebot“ eine juristische Anerkennung der von Moskau annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim als russisch beinhalte. Daneben werde die Besetzung weiterer unter russischer Kontrolle stehender ukrainischer Gebiete faktisch geduldet.
Moskau solle sich im Gegenzug verpflichten, die Invasion entlang der derzeitigen Frontlinie einzufrieren, berichtete die „Financial Times“ unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Das Einfrieren der Front ist laut Militärexperten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) dabei noch kein Garant für einen künftigen Frieden. Russland könne die Pause in den Kampfhandlungen für weitere Aufrüstung und eine spätere Wiederaufnahme der Aggression nutzen, vor allem wenn im Abkommen ein Moratorium auf westliche Waffenhilfe an die Ukraine festgeschrieben sei.
Zudem wollte Kremlsprecher Dmitri Peskow nicht bestätigen, dass Moskau überhaupt mit der Möglichkeit eines Stopps der Kämpfe an der aktuellen Frontlinie einverstanden sei. Es kursierten derzeit viele Falschmeldungen in den Medien, doch mögliche Konturen einer Einigung wären nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Gleichzeitig spekulierte er selbst öffentlich darüber, dass das avisierte hochrangige Treffen in London wegen Differenzen zwischen Kiew und Washington gescheitert sei.
Konsequenzen für die Ukraine
Ein Rückzug der USA - in dem Fall womöglich auch als Unterstützer - würde für die Ukraine eine massive Schwächung in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion bedeuten. Das von Präsidentenberater Andrij Jermak geführte hochrangige ukrainische Verhandlerteam in London reagierte vorerst gelassen. Außenminister Andrij Sybiha postete am frühen Mittag ein Foto mit Lammy, in dem er Großbritannien für die Unterstützung dankte. Das Team werde über Möglichkeiten zur Stärkung der Ukraine und der Erreichung eines dauerhaften Friedens reden, schrieb er.