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Aufarbeitung der Corona-Politik Verzerrte Vergangenheit?

Bundesgesundheitsminister Lauterbach wehrt sich nach Offenlegung der RKI-Protokolle gegen Rücktrittsforderungen von FDP-Vize Kubicki. Doch es gibt neue Vorwürfe.

16.08.2024, 13:52
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) impft am 17. Dezember 2021 im Zoo Hannover die 10-jährige Frida vor Pressevertretern gegen Corona.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) impft am 17. Dezember 2021 im Zoo Hannover die 10-jährige Frida vor Pressevertretern gegen Corona. Foto: imago

Berlin/dpa/UK - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wehrt sich gegen einen Angriff von FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf seine Person im Zusammenhang mit den sogenannten RKI-Protokollen. „Ich warne eindringlich davor, mit Spekulationen, Unterstellungen und Verschwörungstheorien die Vergangenheit zu verzerren“, sagte der SPD-Politiker in einem Interview den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe“.

Er antwortete auf Fragen dazu, ob etwa Anfang 2022 eine Herabstufung des Corona-Risikos durch sein Ministerium verhindert wurde, auch weil zu dieser Zeit die Einführung einer Corona-Impfpflicht vorbereitet wurde. Kubicki hatte diese Verbindung in einem Beitrag auf seiner Webseite hergestellt.

„Künstliche Widersprüche“

Lauterbach warnte vor „haltlosen Mutmaßungen“. Im Februar 2022 sei man in einer Phase gewesen, in der teilweise noch Hunderte Menschen pro Tag an Corona gestorben seien. „In einer solchen Lage kann man nicht das Risiko herabstufen.“ Die Frage, ob er die Pandemie zeitweise gefährlicher dargestellt habe, als sie tatsächlich war, beantwortete der Minister mit „Nein“. Er habe die Lage so beschrieben, wie sie sich im Licht der Daten und der Studien gezeigt habe.

Nach der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente über die Sitzungen des Corona-Krisenstabs beim Robert Koch-Institut (RKI) durch eine Journalistin – das Institut selbst hat die kompletten Protokolle bisher nicht veröffentlicht – hatte Bundestagsvizepräsident Kubicki persönliche Konsequenzen von Lauterbach gefordert. Er wirft dem Minister vor, ein „unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit“ zu haben und bezieht sich unter anderem auf eine Aussage Lauterbachs vom März, wonach das RKI unabhängig von politischer Weisung gearbeitet habe. Die Äußerung Kubickis kommentiere er nicht, sagte Lauterbach.

Nach Ansicht des FDP-Vizes belegen die Dokumente eine politische Einflussnahme. Das RKI habe auf Drängen des Bundesgesundheitsministeriums den öffentlichen Pandemie-Druck künstlich hochgehalten, schrieb der FDP-Politiker. Im Funke-Interview wird Lauterbach mit Passagen aus den Dokumenten konfrontiert, die Kubicki in dem Zusammenhang zitiert hatte, zum Beispiel mit der Ablehnung der Risikoherabstufung durch das Ministerium.

„Wir sollten keinen künstlichen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Politik konstruieren“, sagte Lauterbach dazu. Die Wissenschaft liefere Fakten, die Bewertung finde dann im Austausch zwischen den Fachebenen von RKI und des Ministeriums statt. „Die politische Verantwortung trägt am Ende immer das Bundesgesundheitsministerium.“ Er verteidigte die Corona-Politik grundsätzlich. Man sei insgesamt aus gutem Grund vorsichtig gewesen. „In Deutschland sind weniger Menschen gestorben als in den meisten unserer Nachbarländer, obwohl wir eine sehr alte Bevölkerung haben.“

Der zentrale Fehler in der Pandemie war nach Ansicht des Gesundheitsministers, dass Kinder nicht ausreichend vor den Folgen von Schulschließungen und Lockdowns geschützt worden seien.

„Bearbeitete Protokolle“

Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen das RKI. Laut Recherchen des Journalisten Paul Schreyer, der für das Online-Magazin „Multipolar“ Teile der bis dahin geheim gehaltenen RKI-Protokolle der Öffentlichkeit über eine Klage erstmals zugänglich machte, habe eine Mitarbeiterin des RKI ein Ergebnisprotokoll der Krisenstabssitzung vom 25. März 2020 „an 639 Stellen inhaltlich verändert“, als es bereits Gegenstand der Informationsfreiheitsklage des Herrn Schreyer war“. Das berichtete gestern die „Berliner Zeitung online“.

Hier stehe eine Strafbarkeit im Raum. Man habe Anzeige wegen „Veränderung beweiserheblicher Daten“ und wegen „Datenveränderung“ bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Das RKI sprach auf Anfrage von „Formatänderungen“ und „Formatierungen“.