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Rechtspopulismus Von Stöckchen und roten Linien

Ein Forum in Magdeburg macht klar: Eine Blockade des Rechtspopulismus führt nicht weiter, aber der Spielraum ist umstritten.

Von Steffen Honig 15.03.2017, 00:01

Magdeburg l Im sachsen-anhaltischen Landtag ist seit der Wahl von 2016 die AfD die zweitstärkste Fraktion. Doch gibt es im Umgang zwischen demokratischer Mehrheit und den Rechtspopulisten nach wie vor keine handhabbare Gesprächskultur.

Ein Eindruck davon vermittelt sich am Montagabend in der Magdeburger Sebastians-Pfarrei, in die die Landeszentrale für politische Bildung eingeladen hat. Als nämlich Vize-Landtagspräsident Wulf Gallert (Linke) ans Mikrofon schreitet und die Unmöglichkeit sinnvoller Auseinandersetzung mit der AfD erklärt. Deren Fraktionschef habe von einer „Wucherung am deutschen Volkskörper“ gesprochen und damit aus Hitlers „Mein Kampf“ zitiert. Daraufhin konterte Oliver Kirchner, Vize-Fraktionschef der AfD im Landtag, dass „Volkskörper“ kein „Mein-Kampf“-Zitat sei und selbst von Konrad Adenauer gebraucht worden war. Grünen-Abgeordneter Sebastian Striegel schließich betont, dass man mehr „über jedes Stöckchen“ springe, das die AfD im Landtag hinhalte.

Da geht offensichtlich nicht viel, nehmen die fast 200 Besucher zur Kenntnis. Für den Politikwissenschaftler Werner Patzelt aber sind die Parlamente der „Resonanzboden des öffentlich Zumutbaren“. Was da gesagt werde, müsse vor Ort ausdiskutiert werden. Mit den Grenzen zwischen Zumutbarkeit und den „roten Linien“ beim Umgang mit dem Rechtspopulismus setzen sich auch Patzelts Nachbarn im Podium auseinander, gewürzt mit den jeweiligen persönlichen Erfahrungen.

Anetta Kahane, Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung, konzentriert sich auf die elektronische Variante des Kontaktes: das Internet mit den sozialen Medien, die nicht zu knapp als Plattform für Hass und Hetze missbraucht werden. Kahane spricht von „Toxic speech“ (giftiger Rede).

Ihre Stiftung löscht entgegen manchen Vorwürfen keine Kommentare – damit sei das Problem nicht zu lösen: „Lasst uns die Debatte führen!“, ruft Kahane in den Saal. „Meine rote Linie ist da, wo das vom Grundgesetz gebotene Gleichheitswertigkeitsgebot verletzt wird.“

Ebenfalls ständig im Internet unterwegs ist Stefan Kuzmany. Er verantwortet den Meinungsbereich bei „Spiegel-Online“. Mit dem Aufkommen des Rechtspopulismus habe sich die Leserschaft sehr stark polarisiert. „Ich habe mir persönlich ein dickes Fell zugelegt“, sagt Kuzmany. Es sei aber ein Muss, mit Nazis zu reden.

Allerdings gebe es nach viel Kritik an der Berichterstattung von rechtsaußen inzwischen auch eine Gegenbewegung. Auf manche Texte im Netz, so der Spiegel-Mann, habe man über 1000 Zuschriften erhalten. Beeindruckend, aber Anetta Kahane findet: „Die digitale Zivilgesellschaft ist noch nicht wachgeküsst.“

Werner Patzelt, bekannt als „Pegida-Versteher“ durch seine Vor-Ort-Kenntnis des Dresdner Geschehens, macht eine rote Linie an Menschenrechten und Gewaltlosigkeit fest. Er meint, dass man sich zur Verständigung miteinander auf „streitige Gespräche einlassen“ sollte. Sein Credo: von Gewalt zu Gewaltlosigkeit, von Gewaltlosigkeit schließlich zu versöhnbarer Verschiedenheit.

Das klingt schön, aber auch – wie einiges, was vom Podium kommt – schön theoretisch.

Nochmal die rote Linie: Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, empört sich darüber, dass die AfD das System der politischen Bildung infrage stelle, indem sie es an die Volkshochschulen abschieben wolle. Dies sei kein tolerantes Miteinander, die rote Linie werde überschritten.

Dass mit den Rechtspopulisten, so zeigt sich das Podium recht einig, sei ohnehin bald vorbei. Kahane: „Die AfD ist nicht so relevant, wie sie scheint.“ Dies könnte ein voreiliger Schluss sein.