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Auftritt in Köthen Wagenknechts soziale Lehrstunde

Im Landtagswahlkampf hatte Sahra Wagenknecht einen Auftritt in Köthen versprochen und war verhindert. Jetzt holte sie den Termin nach.

Von Steffen Honig 22.09.2016, 01:01

Köthen l Sahra Wagenknecht polarisiert. „Ich hör sie sehr gern im Fernsehen, weil sie Klartext spricht“, sagt Rentner Otto Kaiser, der sein Fahrrad am Dienstagnachmittag vor dem Auftritt der Linken-Politikerin über den Köthener Holzmarkt schiebt. „Die mag ich überhaupt nicht“, erklärt dagegen eine Seniorin, die ihren Namen nicht nennen mag, im Restaurant „Stadtscheune“. Nebenan, wo Bühne, Bänke und Bierstand aufgebaut sind, läuft ab 17 Uhr das musikalische Vorprogramm. Im Hintergrund ein Polizeiauto. Es bleibt ruhig, die Beamten werden nicht gebraucht.

Der Holzmarkt füllt sich, rund 350 Besucher sind es schließlich, als der Politik-Star aus Berlin im roten Kleid aus dem Auto steigt. Kurze Begrüßung durch die einheimischen Linken-Abgeordneten Christiane Buchheim (Landtag) und Jan Korte (Bundestag) – dann schreitet Wagenknecht ans Mikrofon.

An einem Komplex arbeitet sich die 47-Jährige in der nächsten guten halben Stunde ab: soziale Gerechtigkeit. Ein Manuskript braucht sie dafür nicht, die Linken-Fraktionschefin im Bundestag ist in ihrem Element. Rente, Mindestlohn, Werkverträge, Vermögenssteuer – sie spult ihre Sicht der Dinge zu Kernthemen der Linken nacheinander ab. „Es ist nicht hinnehmenbar, dass die Zahl der armen Rentner und die Zahl der armer Kinder steigt und auf der anderen Seite die Zahl der Superreichen“, erklärt Wagenknecht .

Sie prangert es als Heuchelei an, wenn Politiker anderer Parteien bessere Löhne versprächen: „Dann sollen sie endlich die Gesetze zurücknehmen, die die Beschäftigten wehrlos machen.“ Zur Altersicherung sagt Wagenknecht: „Wir wollen die Wiederherstellung einer ordentlichen gesetzlichen Rente.“ In diese müssten nicht nur abhängig Beschäftigte, sondern auch Selbständige und Beamte einzahlen.

Der Köthener Holzmarkt klatscht. Wagenknecht erntet keine Jubelstürme, aber ordentlichen Beifall.

Auch die möglichen Bündnispartner in einer rot-rot-grünen Bundesregierung zählt sie an. Etwa beim Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen „aus dem Hause Andrea Nahles“. Die SPD hätte immer wieder erzählt, dass für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden müsse. Doch im Gesetz stehe, dass Leiharbeit nach neun Monaten gleich bezahlt werden solle. „Man weiß aber ganz genau, dass der übergroße Teil der Leiharbeiter drei, maximal sechs Monate im Unternehmen eingesetzt ist.“ Wagenknecht: „Leiharbeit ist in unseren Augen moderne Sklaverei.“

Auch Dauerbefristungen, die früher einmal verboten gewesen wären, sieht die Fraktionschefin als einen Angriff auf Arbeitnehmerrechte. Die SPD sage, sie wolle das ändern. „Dann müssten nur SPD, Linke und Grüne zustimmen und dann wär’s soweit“, erklärt Wagenknecht.

Neben aller Kritik ist dies einer von mehreren Appellen zur Gemeinsamkeit. Nicht die Linke müsse sich ändern. Wagenknecht hofft vielmehr darauf, dass SPD und Grüne sich auf ihre Traditionen besinnen.

Die Flüchtlingspolitik, wo Wagenknecht sich durch kritische Äußerungen zur Merkel-Politik in der eigenen Partei viel Ärger eingefangen hatte, spart sie in Köthen komplett aus. Auch die AfD nimmt sie sich nur am Rande vor, und zwar wirtschaftspolitisch. Im AfD-Programm stehe „der gleiche neoliberale Mist“ wie bei den anderen Parteien, wettert Wagenknecht.

Nach einer knappen Stunde ist Sahra Wagenknecht wieder auf dem Rückweg. Für ein paar Selfies mit Anhängern war davor noch Zeit.