Bundestagswahl Wissenschaftler: Migration kaum Thema im Wahlkampf
Das Thema ist vielen Menschen wichtig, kommt vor der Bundestagswahl aber vergleichsweise wenig zur Sprache: Migration und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte sind im Wahlkampf kaum Thema.
Berlin - Migration ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern im Bundestagswahlkampf kaum thematisiert worden, obwohl das Thema aus Sicht der Wähler eine relativ hohe Priorität hat.
Erst seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan Mitte August werde wieder etwas stärker über Migration diskutiert, hieß es am Montag bei einer Diskussion des Verbundprojekts „Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer“ am Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg mit Vertretern mehrerer Universitäten. Ohnehin sei da, wo Migration im Wahlkampf bisher zur Sprache gekommen sei, der Fokus oft auf Flüchtlinge gelegt worden, während andere Formen der Zuwanderung kaum Beachtung gefunden hätten.
Die Wissenschaftler kommen bei der Analyse der Wahlprogramme zu dem Schluss, bei den bisherigen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD wirke es so, als ob diese beim Thema Migration in der endenden Wahlperiode „ihr Pulver schon verschossen“ hätten. Die Oppositionsparteien orientierten sich weitgehend an ihren Forderungen von 2017.
Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück hat die Positionen der Parteien verglichen:
Asyl
Die Unionsparteien wollen falsche Angaben im Asylverfahren künftig unter Strafe stellen. Außerdem wollen sie Herkunftsländer ohne Zustimmung des Bundesrates zu sicheren Herkunftsländern erklären können. Die Unantastbarkeit des Rechts auf Asyl sieht die FDP zunächst nur für politisch Verfolgte und fordert, für Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlinge den Status auf die Dauer des Krieges zu begrenzen. Die AfD will Geflüchtete nur aufnehmen, wenn es sich um „besonders schutzbedürftige“ Personen handelt - und wenn ihr kultureller und religiöser Hintergrund mit „der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbar“ ist.
Grüne, Linke und SPD bekennen sich zur Genfer Flüchtlingskonvention, die etwa festlegt, wer als Flüchtling gilt und wann eine Rückführung ins Herkunftsland ausgeschlossen ist. Die Linke will darüber hinaus LSBTIQA-Geflüchtete (also lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Menschen) besser schützen. Ähnlich wie die Grünen wollen die Linken Kommunen mehr Entscheidungsfreiheiten bei der Aufnahme geflüchteter Menschen geben. Bis auf die AfD wollen alle Parteien - auf ihre eigene Art - das europäische Asylsystem reformieren.
Grenzschutz
Die Diskussion um die europäische Grenzschutzpolizei Frontex flammt immer wieder auf. Griechische Grenzschützer sollen Medienberichten zufolge in der Vergangenheit mehrfach Boote mit Migranten zurück in Richtung Türkei gedrängt haben. Die Unionsparteien wollen Frontex stärken und mit „hoheitlichen Befugnissen“ ausstatten, die Behörde zu einer „echten Grenzpolizei“ ausbauen. Auch die FDP will mehr Personal engagieren sowie der Agentur einen Auftrag zur Seenotrettung erteilen.
Für die AfD soll Frontex weiter die Grenzen sichern, während die Grünen Einsätze der Grenzpolizei vor allem parlamentarisch kontrollieren und Menschenrechtsverletzungen besser ahnden wollen. Die Linken fordern, Frontex aufzulösen. Sie wollen ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm.
Integration
CDU/CSU fordern von bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund drei Dinge - sie sollen „unsere Werte teilen, sich an unsere Gesetze halten und unsere Sprache sprechen“. So sollen etwa Sprachlernangebote gemacht werden und besonders Frauen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die SPD sieht Migration als Chance und will dieses Selbstverständnis in der Gesellschaft verankern. Zudem sollen alle Zugewanderten unmittelbar nach der Einreise Zugang zu Sprachkursen bekommen. Die FDP will bürokratische Hürden beim Arbeitsmarktzugang verringern.
Die Grünen fordern eine Förderung für Betriebe, die Geflüchtete beschäftigen und ausbilden. Die Linke will alle in Deutschland lebenden Menschen rechtlich, politisch und sozial gleichstellen. Die AfD, die vor allem Zugewanderte in der Pflicht sieht, will Fachkräfte beim Spracherwerb unterstützen und Frauen im öffentlichen Dienst verbieten, das Kopftuch zu tragen.