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Die Analyse Das Rentensystem braucht mehr Einzahler

Ohne eine grundlegende Reform droht Millionen Menschen Altersarmut, doch den Parteien fehlt hierfür noch der Mut.

12.05.2016, 23:01

Im deutschen Rentensystem ist seit jeher der Leistungsgedanke verankert gewesen. Wer viel einzahlt, bekommt im Alter eine höhere Rente. Und dadurch, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Gruppe der Einzahler um ein Vielfaches größer war als die Gruppe der Empfänger, hatten auch jene, die im Berufsleben nicht so viel verdienten, in der Regel immer noch eine Altersversorgung, mit der sie halbwegs leben konnten.

Das System gerät nun aus mehreren Gründen aus den Fugen. Die Gruppe der Einzahler schrumpft dramatisch, weil die Geburtenzahlen über Jahrzehnte zurückgegangen sind. Die Zahl der Empfänger wächst, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und die Menschen immer älter werden. Hinzu kommt, dass von den heute Berufstätigen ein immer größerer Anteil vergleichsweise wenig verdient, daher auch kaum in das Rentensystem einzahlen kann. Und: Wer es sich leisten kann, sorgt privat vor, entzieht sich damit dem Solidarsystem.

Somit steht fest: Wenn die Politik nicht grundlegende Änderungen vornimmt, droht Millionen Menschen Altersarmut. Schon in diesem Jahr wird der Bund 6,5 Milliarden Euro für Rentner ausgeben, deren eigene Altersbezüge unterhalb des Existenzminimums liegen. Bis 2020 rechnet die Bundesregierung mit einem Anstieg der Summe auf 8,8 Milliarden Euro.

Wie das Rentensystem verändert werden soll, wird deshalb wohl den Bundestagswahlkampf 2017 bestimmen. Die Parteien müssen erklären, wie sie das System bezahlbar halten wollen, ohne den sozialen Frieden zu riskieren. Armuts-Experte Ulrich Schneider hat im Volksstimme-Interview zu Recht angemerkt, dass private Vorsorgemodelle die Lage deshalb nicht entschärfen, weil Arme schlicht nicht das Geld hierfür haben. Auch wird nicht jeder bis 67 oder 70 arbeiten können. Und jede weitere Absenkung des Rentenniveaus würde automatisch weiter Armut und sozialen Unfrieden fördern.

Ein kleiner Teil der Lösung kann Zuwanderung sein. Ernsthaft gegensteuern wird man aber nur dann, wenn künftig auch Selbstständige, Beamte und Spitzenverdiener stärker zur Kasse gebeten werden. Ein solch fundamentaler Wandel würde aber Mut erfordern, er würde ein Stück weit eine Abkehr vom Leistungs- hin zum Gerechtigkeitsprinzip bedeuten. Für echte Umbrüche dürfte die Lage den Parteien aber wohl noch nicht ernst genug erscheinen.