1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Energiepolitik: Eon-Chef will beim Erneuerbaren-Ausbau mehr Wettbewerb

Energiepolitik Eon-Chef will beim Erneuerbaren-Ausbau mehr Wettbewerb

Ginge es nach Leonhard Birnbaum, bekämen Wind- und Solarparkbetreiber künftig keine Entschädigung mehr, wenn ihr Strom nicht gebraucht wird. Überhaupt wünscht sich der Manager stärkeren Wettbewerb.

Von Leonie Weigner (dpa-AFX), Helge Toben (dpa) und Rolf Vennenbernd (Foto) 19.11.2024, 05:00
Eon-Chef Leonhard Birnbaum erhofft sich von der Politik der neuen Bundesregierung, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle spielen. Eon ist Deutschlands größter Energieversorger mit 14 Millionen Strom- und Gaskunden.
Eon-Chef Leonhard Birnbaum erhofft sich von der Politik der neuen Bundesregierung, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle spielen. Eon ist Deutschlands größter Energieversorger mit 14 Millionen Strom- und Gaskunden. Rolf Vennenbernd/dpa

Essen - Der Chef von Deutschlands größtem Stromversorger Eon, Leonhard Birnbaum, fordert von der künftigen Bundesregierung eine grundsätzlich andere Denkweise in der Energiepolitik. „Preis- und Mengenrisiken dürfen nicht auf Dauer komplett nur auf die Stromkunden umgelegt werden“, sagte der Manager der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX und der Deutschen Presse-Agentur in Essen. Er sprach sich dafür aus, dass etwa Investoren in Wind- und Solaranlagen die finanziellen Risiken durch Zwangsabschaltungen bei Netzüberlastung künftig selbst tragen.

Bislang bekommen die Anlagenbetreiber bei sogenannten Abregelungen eine Entschädigung, die über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt wird. „Wenn es das Problem des Investors wäre, wenn der Netzbetreiber ihn abregeln muss und er dafür keine Kompensation bekäme, dann würde er sich dreimal überlegen, ob er seine Anlage wirklich da baut, wo es jetzt schon regelmäßig Strom im Überfluss gibt“, sagte Birnbaum. Grundsätzlich müssten Marktsignale bei den Investoren ankommen.

Eon-Chef: Investitionsanreize werden falsch gesetzt

Der Energiemanager plädierte in Richtung Politik dafür, sich beim Umbau der Energiewirtschaft auf wenige Ziele zu beschränken und diese flexibel zu halten. „Wir haben im Moment ein Ausbauziel für Solar, ein Ausbauziel für Windkraft an Land, ein Ausbauziel für Windkraft auf See. Wir haben Ziele, was wir im Netz machen sollen, wie viele E-Autos wir verkaufen wollen und so weiter. Solche Ziele werden im Zweifel unter Einsatz zu großer Mittel und massiver Subventionen erreicht. Innovation ist nicht vorgesehen. Investitionsanreize werden falsch gesetzt – nämlich ausschließlich, um die Zielvorgaben zu erreichen und nicht nach dem tatsächlichen Bedarf.“

Grundsätzlich solle die Politik weniger detailgesteuert agieren und stattdessen ordnungspolitischer und über den Markt. „Dieser Richtungswechsel muss stattfinden, egal, wer die Regierung stellt“. So könne man etwa beim Ausbau der Erneuerbaren-Kapazität auch sagen: „Das Einzige, was uns wirklich interessiert, ist unser Ziel, den Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung im Jahr 2030 auf 80 Prozent zu bekommen. Und ob das dann am Ende 110 Gigawatt Solar sind oder 90 – wen interessiert das eigentlich?“

Birnbaum: Künstliche Intelligenz kann Systembetrieb verbessern 

Birnbaum sprach sich auch dafür aus, stärker auf künstliche Intelligenz zu setzen. „Wir wissen, dass wir mit künstlicher Intelligenz unser System deutlich besser betreiben können als ohne.“ Überhaupt sei es wichtig, stärker auf Innovation zu vertrauen. Noch vor zehn Jahren etwa habe niemand über das Thema künstliche Intelligenz gesprochen. Auch in der Energiebranche werde es in Zukunft noch reichlich Innovation geben, „und die wird uns überraschen“.

Entscheidend für eine erfolgreiche und für Kunden bezahlbare Energiewende ist nach Ansicht Birnbaums eine weitgehende Elektrifizierung jener Bereiche, in denen heute noch Öl und Gas verbraucht wird. „Elektrifizierung hat zwei wesentliche Vorteile. Sie erlaubt es, Energieeinsatz grün zu machen und die Effizienz zu steigern.“ So könne etwa ein E-Auto mit grünem Strom umweltfreundlich fahren. Da Elektromotoren viel sparsamer sind, sinke außerdem im Vergleich zu Verbrennerfahrzeugen der Energieeinsatz insgesamt stark.

Eon-Chef: Elektrifizierung könnte für sinkende Stromkosten sorgen

Zwar entstünden bei der Elektrifizierung zunächst höhere Kosten etwa durch den notwendigen Stromnetzausbau. Die würden aber auf mehr Verbraucher beziehungsweise höhere Verbrauchsmengen umgelegt. „Dadurch können die Strompreise langfristig konstant bleiben oder sogar sinken - je nachdem, wie erfolgreich die Elektrifizierung ist.“ Als Kunde bezahle man dann zwar insgesamt mehr für Strom. „Aber das wird überkompensiert durch die wegfallenden Energiekosten, weil man etwa kein Gas mehr für die Heizung oder Benzin für das Auto braucht.“

In der Herangehensweise der gescheiterten Ampel-Regierung und einer potenziellen neuen unionsgeführten unter einem Kanzler Friedrich Merz erwartet Birnbaum klare Unterschiede. Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sollten die Kernthemen für die nächste Regierung sein. Unabhängig vom Ausgang der Wahl freue er sich auf eine „stabile Regierung, die hoffentlich möglichst viel Reform vorantreibt“.

Eon hat in Europa rund 47 Millionen Kundinnen und Kunden

Der Energieriese mit Hauptsitz in Essen hat in Deutschland rund zwölf Millionen Strom- und zwei Millionen Erdgaskunden, europaweit insgesamt rund 47 Millionen Kundinnen und Kunden. Eon ist auch größter Strom-Verteilnetzbetreiber Deutschlands: Mit 32 Prozent gehört fast ein Drittel des Verteilnetzes zum Konzern. Als Verteilnetz werden alle Stromnetzebenen unterhalb des Übertragungsnetzes bezeichnet. Das Verteilnetz spielt eine wichtige Rolle beim Energie-Umbau Deutschlands hin zur Klimaneutralität: Fast alle Wind- und Solaranlagen speisen ihren Strom in das Verteilnetz ein. Daneben ist Eon auch einer der größten Ladesäulenbetreiber.