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Schienengipfel Für pünktlichere Züge: Bund stellt 40 Milliarden in Aussicht

Das überlastete Schienennetz führt seit Jahren zu Verspätungen und Unzufriedenheit bei Bahnkunden. Berlin will das mit viel Geld ändern. Doch bis es besser wird, nehmen die Einschränkungen erst einmal zu.

Von Von Christian Ebner, Matthias Arnold und Andreas Hoenig, dpa 15.09.2023, 11:19
40 Milliarden vom Bund sollen es richten: Verkehrsminister Volker Wissing kündigte einen neuen Plan für die Sanierung der Deutschen Bahn an.
40 Milliarden vom Bund sollen es richten: Verkehrsminister Volker Wissing kündigte einen neuen Plan für die Sanierung der Deutschen Bahn an. Sebastian Gollnow/dpa

Frankfurt/Main - Mit zusätzlichen Milliardeninvestitionen und einem konkreten Zeitplan geht die Bahn an die Sanierung viel befahrener Schienenkorridore. Ziel ist ein deutlich zuverlässigerer Bahnverkehr für Fahrgäste und Güter. „Jetzt wissen wir, in welcher Reihenfolge das Ganze funktionieren wird“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf einem Treffen mit der Bahnbranche in Frankfurt.

40 hoch belastete Strecken sollen bis 2030 jeweils für rund fünf Monate komplett gesperrt und dann rundum saniert und ertüchtigt werden. Knapp 40 Milliarden Euro will der Bund dafür zur Verfügung stellen - 12,5 Milliarden davon in Form einer Eigenkapitalerhöhung für die bundeseigene Deutsche Bahn.

Von mehrmonatigen Vollsperrungen erhoffen sich alle Beteiligten Kosteneinsparungen, weil dann auf betroffenen Abschnitten nicht über Jahre immer wieder Baumaßnahmen geplant und nacheinander umgesetzt werden müssen. „Dadurch können wir sehr viel Geld in sehr schneller Zeit verbauen“, sagte Wissing.

„Reisendenpünktlichkeit“ um 10 Prozent verschlechtert

Der Bedarf ist groß. Fast jeder dritte Fernverkehrsreisende bei der Bahn hat 2022 sein Ziel mit mindestens 15 Minuten Verspätung erreicht. Lediglich 70,6 Prozent der Fahrgäste kamen mit weniger Verspätung an ihrem Zielort an, wie aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums an ein Abgeordnetenbüro hervorgeht. Die „Reisendenpünktlichkeit“ hat sich demnach von 2021 zu 2022 um zehn Prozentpunkte verschlechtert. 2017 kamen noch gut 86 Prozent der Fahrgäste mit weniger als 15 Minuten Verspätung an ihrem Ziel an. Hintergrund sind aus Sicht der Kritiker die seit Jahrzehnten ausgebliebenen Investitionen in die Schieneninfrastruktur.

Schon lange bekannt sind die ersten drei Sanierungsprojekte: Los geht es im kommenden Jahr auf der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Im Jahr 2025 folgen dann die vor allem für den Güterverkehr wichtige Strecke Emmerich-Oberhausen in Nordrhein-Westfalen sowie Berlin-Hamburg.

Auf dem Frankfurter „Schienengipfel“ mit der Bau- und der Bahnindustrie wurde die weitere Reihenfolge der 40 Schienenabschnitte vorgestellt. 2026 sollen unter anderem die Strecken Köln-Hagen, Nürnberg-Reichswald-Regensburg, Troisdorf-Koblenz und Koblenz-Wiesbaden in Angriff genommen werden. Am Ende der Liste stehen für das zweite Halbjahr 2030 die Korridore Ulm-Augsburg und Mannheim-Karlsruhe.

4000 Kilometer Schiene generalsaniert

Insgesamt sollen 4000 Kilometer Schiene generalsaniert werden. Sie sind dann Teil des „Hochleistungsnetzes“ mit 9000 Kilometern. Insgesamt hat das deutsche Schienennetz eine Länge von 34.000 Kilometern.

Herausgenommen wurden zwei Abschnitte in Hessen, die laut Bahn nun anderweitig saniert werden müssten. Es handelt sich um die Strecken Fulda-Flieden und Flieden-Hanau.

Für die Fahrgäste bedeuten die mehrmonatigen Vollsperrungen der dichten Korridore indes vor allem weitere Einschränkungen. „Umso wichtiger ist es, dass die geplanten Sperrungen rechtzeitig kommuniziert, die Betroffenen eng eingebunden werden“, betonte Wissing. „Deswegen ist es wichtig, dass wir den Leuten sagen, das ist eine Mühe, eine Anstrengung, um hinterher besser auf der Schiene unterwegs zu sein.“

Um das überlastete Streckennetz wieder fit zu machen, will der Bund bis 2027 rund 40 Milliarden Euro investieren. 11,5 Milliarden davon kommen aus dem Bundeshaushalts-Einzelplan des Verkehrsministeriums. Finanziert werden soll das vor allem aus einer Erhöhung der Lkw-Maut. Weitere 12,5 Milliarden Euro sollen aus dem Klima- und Investitionsfonds fließen - einem Sondertopf der Bundesregierung. Drei Milliarden Euro muss die Bahn aus Eigenmitteln - etwa über die Aufnahme neuer Schulden - beisteuern.

Wissing gibt Bahn weitere Milliarden

Neu ist, dass der Bund dem Konzern weitere 12,5 Milliarden Euro über eine Eigenkapitalerhöhung zuschießen will. Dieser Maßnahme muss die EU-Kommission allerdings noch zustimmen. „Wir sind dann bei knapp 40 Milliarden zusätzlich für die Bahn“, sagte Wissing. Der Konzern selbst hatte den Finanzbedarf ursprünglich auf 45 Milliarden Euro beziffert. „Wir werden die noch ausstehenden Mittel in den kommenden Jahren aufbauen“, betonte der Minister. Bis 2024 wird das Eigenkapital der bundeseigenen DB AG bereits jährlich um 1,125 Milliarden erhöht.

Verbauen muss das viele Geld nun die Bauwirtschaft, was angesichts der stark gestiegenen Baukosten und des Personalmangels keine leichte Aufgabe sein dürfte. „Ich brauche ganz konkret Bauunternehmen, die Bauaufträge annehmen können“, sagte Wissing. Die Branche äußerte sich zuversichtlich: „Wir als Bauindustrie stehen hinter der Korridorsanierung“, sagte der Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Peter Hübner. „Durch die Vollsperrung können wir durcharbeiten, kommen weg vom Klein-Klein einzelner Baumaßnahmen und können mit schweren Baumaschinen effizient an die Strecke.“

„Wir erneuern und modernisieren die Infrastruktur mit einem Programm, das beispiellos in der DB-Geschichte ist“, teilte Konzernchef Richard Lutz mit. „Es ist jetzt an uns, zusammen mit der Bauindustrie die Ärmel hochzukrempeln.“ Er betonte ebenfalls, dass mit den Baumaßnahmen erneut erhebliche Einschränkungen auf die Fahrgäste und die Güterverkehrskunden zukämen. „Aber es ist alternativlos, den Sanierungsstau anzugehen.“

Zur Umsetzung der Sanierungsprojekte ist geplant, unter dem Dach des DB-Konzerns eine neue, am Gemeinwohl orientierte Infrastrukturgesellschaft mit dem Namen „InfraGo“ zu gründen. In ihr sollen zum Jahreswechsel die Teilgesellschaften DB Netz und DB Station und Service aufgehen. Sinn der Konstruktion ist es, dass die bereitgestellten Bundesmittel ausschließlich in die Infrastruktur fließen und nicht in den Fahrbetrieb. Kritiker hatten gefordert, das Netz ganz aus dem Bahn-Konzern zu lösen.