Familienbetriebe Leistung wird belohnt

Bei der Wilsdruffer P-D-Gruppe hat Firmenchef Jürgen Preiss-Daimler mit einem ungewöhnlichen Modell seine Nachfolge gesichert.

Von Christiane Raatz 14.09.2015, 23:01

Wilsdruff (dpa) l Säulen, türkisfarbene Wände, viel Glas – und eine Wendeltreppe aus Marmor. Die verbindet das große Büro von Jürgen Preiss-Daimler mit seiner darüberliegenden Privatwohnung. Sein Leben ist die Arbeit und umgekehrt – eine Trennung gibt es nicht. „Wenn mir etwas Wichtiges einfällt, gehe ich auch schon einmal im Schlafanzug ins Büro“, sagt der Mann mit den grauen Haaren und den bläulichen Brillengläsern. Er ist Chef der Preiss-Daimler-Gruppe, die ihren Hauptsitz im kleinen Städtchen Wilsdruff in der Nähe von Dresden hat.

Zur Firmengruppe gehören weltweit 21 Betriebe mit rund 3500 Beschäftigten, davon 1475 in Deutschland. In Sachsen arbeiten rund 800 Menschen für das Familienunternehmen, in Sachsen-Anhalt knapp 200 und in Thüringen rund 100 Mitarbeiter. Unter anderem hat sich Preiss-Daimler als Produzent feuerfester Materialien und von Fiberglas einen Namen gemacht – und als Sanierer des Chemieparks Bitterfeld-Wolfen, den er im Vorjahr verkaufte. 2014 lag der Umsatz nach eigenen Angaben bei rund 500 Millionen Euro.

Jürgen Preiss-Daimler ist ein Unternehmer vom alten Schlag: Oft arbeitet er bis spät in die Nacht, nach 44 Jahren hat er sich in diesem Jahr zum ersten Mal drei Wochen Urlaub am Stück gegönnt. Bis zu 100 Fahrten und Reisen stehen auf dem Programm – im Monat. „Erfolg kann wie eine Droge sein“, sagt der 75-Jährige, will aber „nicht mehr ganz so verrückt weitermachen wie bisher“.

Deshalb hat der Firmenpatriarch mit einem ungewöhnlichen Modell seine Nachfolge geregelt: 65 Prozent der Geschäftsanteile hat er an seine Frau übergeben, fünf Prozent an seinen 33 Jahre alten Sohn Stefan, der vor vier Jahren in die Firma eingestiegen ist. Weitere 20 Prozent hat er bereits Ende 2013 unter den fünf engsten und leitenden Mitarbeitern verteilt, langjährige Geschäftsführer in der Gruppe – das entspricht immerhin rund 5,8 Millionen Euro. „Zehn Prozent habe ich noch behalten“, erzählt Preiss-Daimler.

Der Senior will die Last auf mehrere Schultern verteilen. „Aus Sicherheit für meinen Sohn, weil wir mehrere Sparten haben, das ist alleine kaum machbar.“ Sein Motto: Leistung soll belohnt werden. „Deshalb wollte ich meinen Mitarbeitern, die schon bis zu 20 Jahre bei mir sind, erfahrene Manager, auch etwas Gutes tun.“

Auch wenn die P-D-Firmengruppe Tausende Mitarbeiter hat, betont Preiss-Daimler, dass es sich um einen Familienbetrieb handelt. „Wenn auch eher um Großfamilie.“ Der Eigenkapitalanteil der Gruppe liegt bei 57 Prozent, die Entscheidungen werden am Tisch getroffen. „Kollektiv“, wie der 75-Jährige betont.

„Ich kann mit Stolz sagen, ich habe etwas getan für den Osten.“ 2014 stiftete er der Dresdner Uniklinik einen zwei Millionen Euro teuren Computertomographen. In diesem Jahr will er zwei jungen Medizinern ein Stipendium finanzieren.

1971 gründete Preiss-Daimler seine erste Tiefbaufirma in Minden (Nordrhein-Westfalen), war bereits in den 70er Jahren für die DDR an Großprojekten beteiligt: Er baute mit an Robotron in Dresden und den Stahlwerken Eisenhüttenstadt. Von der Treuhand kaufte er nach der Wende 17 DDR-Betriebe und sanierte sie. Viele sind seither hinzugekommen. Vor 15 Jahren hat er sich mit seiner Frau Beatrix in Wilsdruff niedergelassen. „Weil die Nähe zur Autobahn und Flughafen ideal ist und wir natürlich auch Dresden lieben.“

Preiss-Daimler gehört heute zu den größten Familienunternehmen in Deutschland und hat es als einer von gerade einmal fünf Betrieben aus Ostdeutschland auf die Liste der Top 500 des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZWE) geschafft.

Mit seinem Sohn als Nachfolger sieht der Firmenpatriarch sein Erbe in guten Händen. Auch wenn die neue Generation einiges anders handhabt. Preiss-Daimler spricht davon, dass das „alte Unternehmertum“ langsam ausstirbt. Während früher „Tag und Nacht geschuftet wurde“, seien die jungen Manager heute dazu nicht mehr bereit.