Wirtschaftsförderung Negativrekord bei Investitionen
Betriebe in Sachsen-Anhalt investierten 2016 so wenig wie noch nie.
Magdeburg l Unternehmen in Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr so wenig investiert wie nie zuvor. Aus dem Topf der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) floss für Investitionen in Höhe von rund 254 Millionen Euro ein Zuschuss von etwa 62 Millionen Euro. Das geht aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Volksstimme hervor. Das Investitionsvolumen sank 2016 auf ein Allzeit-Tief. Ein Jahr zuvor hatten die Firmen im Land noch gut 484 Millionen Euro in den Neubau oder die Erweiterung ihrer Betriebsstätten investiert.
Das Magdeburger Wirtschaftsministerium sieht die Entwicklung dennoch positiv: Nach Jahren der Zurückhaltung hätten erstmals wieder mehr Firmen Fördermittel beantragt. Die Anzahl der Bewilligungen stieg im Jahresvergleich von 80 auf 134. „Das zeigt, dass wieder mehr Unternehmen in die eigene Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit investieren und dass die GRW-Förderung im Land ankommt“, sagt Minister Armin Willingmann (SPD).
Die GRW-Richtlinien sind angesichts sinkender Abrufe seit Jahren eine Dauerbaustelle. Zuletzt hatte Willingmann die Richtlinien im Januar dieses Jahres verändert.
Davor lockerte im Sommer 2015 das CDU-geführte Wirtschaftsressort die Bedingungen. Dabei wurde das Mindestinvestionsvolumen von 70.000 auf 50.000 Euro abgesenkt. Außerdem werden seitdem auch Betriebe gefördert, die mithilfe der Investition keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern lediglich bestehende Jobs sichern. Mit den Antragszahlen ging es deshalb zuletzt wieder bergauf.
Das Land rechne sich die Statistik schön, sagt Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Die Anzahl der Förderfälle sei zwar gestiegen, aber das Verhältnis von Investitionsvolumen und Zuschuss habe sich deutlich verschlechtert: Während bei der Unternehmensförderung 2015 einem Euro Zuschuss noch acht Euro Investitionsvolumen entgegenstanden, habe sich der Wert 2016 auf nur noch vier Euro verringert. „Der Staatsanteil ist also gestiegen. Es ist fraglich, ob davon positive Effekte für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts ausgehen“, so der Professor.
Das Ministerium erklärt das geringere Volumen mit einem außerordentlichen Jahr 2015: Zwei Großinvestitionen von Datenspezialist T-Systems in Biere und Backwarenhersteller Lieken hätten zusammen allein 307 Millionen Euro beigesteuert. Der Neubau des Großbäckers hatte im vergangenen Jahr die Gemüter erhitzt. Während in Wittenberg neu gebaut wird, schließt Lieken in Weißenfels seine Fabrik. Das Land hatte den Neubau mit Fördermitteln unterstützt und dafür viel Kritik von der Opposition eingesteckt – auch, weil die Mitarbeiter im neuen Werk deutlich unter Tarif bezahlt werden sollen.
Minister Willingmann hatte deshalb Mitte Januar die Förder-Richtlinien erneut angepasst. Neben einem höheren Basissatz werden nun Unternehmen, die Mitarbeiter nach Tarif bezahlen und eine eigene Forschungsabteilung haben, mit höheren Boni belohnt. „Daher erwarte ich für 2017 ein Anziehen der Investitionen in der Privatwirtschaft“, sagt der Minister.
Die Linken kritisieren, das Land würde nur auf Quantität und die Ausschüttung der Fördermittel setzen. Das sei der falsche Weg, sagt der Landtagsabgeordnete Andreas Höppner: „Die Faktoren Qualität und Nachhaltigkeit müssen im Fokus stehen.“ IWH-Forscher Holtemöller erklärt: „Die Politik sollte sich vor allem auf die Menschen im Land und nicht auf die Maschinen konzentrieren.“ Langfristiger Wohlstand könne nur durch mehr Investitionen in Bildung, Ausbildung und Forschung gesichert werden.