Historische Einigung Ökonomen: Finanzpaket bringt Konjunkturplus und Schuldenberg
500 Milliarden Euro für Infrastruktur plus Lockerung der Schuldenbremse. Das geplante Finanzpaket von Union und SPD dürfte die Wirtschaft stützen, aber große Risiken bringen - bis hin zu Verbrauchern.

Frankfurt/Main - Ökonomen erwarten mit dem geplanten riesigen Finanzpaket von Union und SPD zu Verteidigung und Infrastruktur einen Schub für die Konjunktur - aber auch immense Nebenwirkungen. Ein Überblick über die möglichen Folgen für Wirtschaft und Verbraucher:
Eine zügige Umsetzung des Haushaltspakets dürfte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland bis 2027 um bis zu einen Prozentpunkt pro Jahr erhöhen, schätzt Sven Jari Stehn, Chefvolkswirt Europa bei der Investmentbank Goldman Sachs. Allerdings würde auch die staatliche Schuldenquote von zuletzt gut 62 Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung auf 67,6 Prozent steigen.
Finanzpaket Treiber für Konjunktur - und Inflation?
Zwar würden die finanzpolitischen Großprojekte der künftigen Regierung die stagnierende Wirtschaftsleistung über mehrere Jahre kräftiger steigen lassen, meint Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. Allerdings könne das mit einem Anstieg der Inflation, getrieben von höheren Löhnen und einer höheren wirtschaftlichen Nachfrage, einhergehen.
Institut: Deutschland könnte 2034 Hochschuldenstaat sein
Friedrich Heinemann, Ökonom am ZEW Mannheim, warnt vor den Lockerungen der Schuldenbremse. Nehme man das geplante Infrastruktur-Sondervermögen und die angedachten neuen Verschuldungsmöglichkeiten der Länder hinzu, öffne sich ein „gewaltiges Verschuldungsfenster“.
In Summe könnte Deutschland auf Dauer in einer konjunkturellen Normallage verfassungskonform vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts schuldenfinanzieren. „Damit würde sich Deutschland rasch zu den Hochschuldenstaaten der EU gesellen, schon 2034 wird die Schulden-BIP-Quote dann 100 Prozent erreichen.“
Union und SPD wollen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben lockern. Außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden. Es soll eine Laufzeit von 10 Jahren haben.
Finanzoffensive als Stimmungsaufheller für Unternehmen
Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, sieht in den Plänen „eine echte Zeitenwende auch für die Finanzpolitik“. Damit „könnten viele der Bremsklötze entfernt werden, die die deutsche Wirtschaft zuletzt am Wachsen gehindert haben“.
Dullien zufolge dürfte sich die Stimmung der Unternehmen schnell aufhellen, weil sich absehbar die Standortbedingungen verbesserten. Und Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank meint: „Es sind die richtigen Schritte. Klein-Klein geht in Anbetracht der geopolitischen Entwicklungen nicht mehr.“
Folgen für Geldpolitik und Bauzinsen
Der Ausgabenschub könnte die Renditen deutscher Staatsanleihen merklich nach oben treiben, vermutet DZ-Bank-Chefvolkswirt Holstein. Denn vermutlich müsste der Staat bei Flut neuer Anleihen Investoren mit höheren Zinsen locken.
Da sich die Bauzinsen an der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen orientieren, würden das Hausbauer in Form höherer Kreditkosten spüren. Zudem könnte das Risiko eines Inflationsanstiegs die Europäische Zentralbank (EZB) „schon im Frühjahr dazu veranlassen, die Zinsen weniger stark zu senken als bislang vermutet“.
Außenhandelsverband: Staat kein guter Investor
Während die Bauwirtschaft das vorgestellte Finanzpaket für die Infrastruktur als „historische Chance“ sieht, warnt Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA: „Der Staat ist ein schlechter Investor.“ Mehr Schulden bedeuteten nicht mehr Wettbewerbsfähigkeit: „Geld löst keine strukturellen Probleme.“