EY-Studie Start-up-Gründerinnen erhalten immer weniger Geld als Männer
Frauen erhalten in Deutschland im Schnitt 16 Prozent weniger Gehalt als Männer. Die geschlechtsspezifische Lücke fällt bei der Finanzierung von Start-ups aber noch viel krasser aus.
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Stuttgart - Gründerinnen von Start-ups erhalten viel weniger Risikokapital als Jungunternehmen, die von Männern oder gemischten Teams gegründet werden. Das zeigt eine Studie der Prüfungsgesellschaft EY, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Und die Schere öffnet sich immer weiter, denn der ohnehin sehr geringe Anteil der Frauen bei Gründungen hat sich im vergangenen Jahr nochmals halbiert.
2023 gingen noch knapp zwei Prozent des Wagniskapitals an Start-ups, die ausschließlich Gründerinnen hatten. 2024 lag der Anteil bei nur noch knapp unter einem Prozent. Nach den Berechnungen von EY flossen nur noch 43 Millionen Euro an allein von Frauen gegründete Start-ups – 58 Prozent weniger als im Vorjahr. 2023 hatten Risikokapitalgeber noch 102 Millionen Euro in Jungunternehmen mit einem ausschließlich weiblich besetzten Gründungsteam gesteckt.
43 zu 6200 Millionen
Start-ups, deren Gründungsteams nur aus Männern bestanden, erhielten dagegen 2024 Wagniskapital in Höhe von 6,2 Milliarden Euro, was einem Anteil von knapp 88 Prozent entspricht. Das waren 1,3 Milliarden Euro mehr als 2023. Jungunternehmen mit gemischten Gründerteams erhielten 2024 der EY-Studie zufolge insgesamt 834 Millionen Euro (knapp zwölf Prozent) des Risikokapitals.
Thomas Prüver, Partner bei EY, sagte, die wachsende Geschlechterlücke bedeute im Startup-Ökosystem für das Jahr 2024 „Rückschritt statt Fortschritt“. „Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem Deutschlands Jungunternehmen den zahlreichen Marktherausforderungen trotzen konnten und sich nach einer Talsohle in den vergangenen Jahren stabilisiert haben.“ Während die Investitionssummen in deutsche Start-ups insgesamt wieder gestiegen seien, hätten rein weibliche Gründungsteams nicht von diesem Aufwind profitieren können: „Sie erhielten deutlich weniger als im Vorjahr.“
Lücke wird bei großen Summen größer
Geht es um große Summen, wird die Schieflage bei den Investments zwischen den Geschlechtern noch deutlicher. EY zufolge lag der Frauenanteil an allen Start-ups, die 2024 Geld erhielten, bei 10,6 Prozent. Bei den Start-ups, die eine Finanzierung von mindestens 50 Millionen Euro bekamen, betrug der Frauenanteil in Gründungsteams nur noch 7,1 Prozent.
Der Frauenanteil in Gründungsteams ist in bestimmten Branchen höher als in anderen. Relativ hohe Frauenanteile gibt es in den Sektoren Agrar-Tech (25 Prozent), E-Commerce (23 Prozent) und Bildung (21,6 Prozent). In den Sektoren Software & Analytics (7,4 Prozent), Finanzen/Versicherungen (4,5 Prozent), Energie (3,2 Prozent) und Hardware (2,9 Prozent) ist der Frauenanteil jedoch sehr gering. „Bei Technologie-Startups, die aktuell sehr viel Kapital einsammeln und der wichtigste Wachstumsmotor der Szene sind, sind Frauen nur sehr selten in den Gründungsteams vertreten“, sagte Prüver.
Franziska Teubert, Geschäftsführerin beim Startup-Verband, sagte, die sinkenden Zahlen zeigten, dass das Potenzial in Deutschland nicht voll ausgenutzt werde. „Gründerinnen stehen vor strukturellen Hürden: sei es im Bereich Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie, dem Zugang zu Netzwerken oder Kapital. Dabei sind Investoren, Startup-Ökosystem und Politik gleichermaßen gefordert, Hürden abzubauen und Gründerinnen zu fördern. Wir brauchen eine diverse Gründerlandschaft, um die besten Lösungen und Produkte zu entwickeln.“