Urteil Töten männlicher Küken bleibt zulässig
Für eine Übergangszeit bleibt das massenhafte Kükentöten in Deutschland übergangsweise erlaubt. Politiker aus Sachsen-Anhalt äußern Kritik.
Magdeburg l In Deutschlandwerden jedes Jahr 45 Millionen männliche Küken vergast, verfüttert oder geschreddert, weil ihre Aufzucht unwirtschaftlich ist. Sie legen keine Eier und eignen sich nicht für die Mast. Das Bundesverwaltungsgericht hat Donnerstag das massenhafte Töten der Küken in der Legehennenzucht vorerst noch als rechtmäßig bestätigt. Brutbetriebe dürften bis zur Einführung von alternativen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei daran festhalten.
Die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien allein seien zwar kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes, die Praxis sei aber so lang rechtmäßig, bis Alternativen zur Verfügung stünden. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte, ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung sei auf dem Weg zur Serienreife und werde Brütereien bald flächendeckend zur Verfügung stehen.
Kritik kommt von Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne). Sie fordert Klöckner auf, die Praxis zu verbieten. Küken seien „Lebewesen, keine Ware“. Es gebe längst technische Möglichkeiten, schon im Ei das Geschlecht der Küken zu bestimmen. Für den landwirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Jürgen Barth, ist das Urteil unbefriedigend. Auch Landwirte hätten das Interesse, dass schnell Verfahren auf den Markt kämen.
Das massenhafte Töten der Küken müsse beendet werden, sagt auch der landwirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Guido Heuer. Die Entscheidung gebe den Betreibern von Legehennenzuchten allerdings Rechtssicherheit. Für die Landeschefin der Grünen, Britta-Heide Garben, ist das Urteil insgesamt eine Enttäuschung: „Wirtschaftliche Interessen werden noch immer über Tierschutz gestellt.“ Es bliebe dabei, dass Tiere nur als Rohstoff betrachtet würden.
Zwei Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Ei gibt es bereits. Bei der endokrinologischen, also hormonellen Methode wird den neun Tage bebrüteten Eiern durch ein winziges Loch etwas Flüssigkeit entnommen. Mit den Proben wird das Geschlecht bestimmt. Weibliche Küken werden ausgebrütet, männliche nicht. Unter dem Logo „Respeggt“ werden so erzeugte Eier in rund 380 Rewe- und Penny-Märkten angeboten. Tierschützer bevorzugen indes das Verfahren der Infrarot-Spektroskopie an nur vier Tage bebrüteten Eiern. Der Anbieter arbeitet nach eigenen Angaben noch an der Verbesserung der Messgenauigkeit.
Für Kerstin Eisenreich, agrar- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Linken im Landtag, ist die Selektion von männlichen Küken im Ei nur eine technologische Scheinlösung. Sie sieht den Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht. Dieser müsse sich an der Finanzierung der höheren Erzeugungskosten für mehr Tierwohl beteiligen. Eisenreich spricht sich für die Haltung von Zweinutzungsrassen aus, die sowohl zur Eier- als auch zur Fleischerzeugung geeignet sind.
Für Hannes Loth, landwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, steht die Geflügelindustrie in der Pflicht, die Verfahren endlich umzusetzen und damit die gängige Praxis zu beenden. Auch Verbraucher müssten nun reagieren und „den Willen und das Geld aufbringen, um neue tiergerechte Methoden wie die Bruderhahn-Initiative zu bezahlen“. Rudolf Giersch vom Landesverband Sachsen-Anhalt des Deutschen Tierschutzbunds ist ernüchtert: „Wir hätten uns ein schnelles Verbot gewünscht. Es überwiegen mal wieder die Interessen der Lobbyisten.“
In Sachsen-Anhalt gibt es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums keine Brütereien. Küken bzw. Jung- und Legehennen kommen laut Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft aus anderen Bundesländern. Landesweit werden in 38 Betrieben rund 1,8 Millionen Legehennen gehalten.